Finanzen
Regierungsberater zweifeln an wichtigen EU-Daten im Handelskonflikt
GDN -
Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums befürchtet bedenkliche Fehler in den europäischen Daten zur Leistungsbilanz der EU mit den Vereinigten Staaten. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), über den die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montagsausgabe) berichtet, bezeichnen die Regierungsberater die möglichen Abweichungen als "besorgniserregend".
Der Vorsitzende des Beirats, der Wirtschaftswissenschaftler Hans Gersbach (ETH Zürich), sagte der FAZ: "In Zeiten eines ernsten Handelskonflikts ist eine unklare Datenbasis besonders bedenklich." Ohne die genaue Kenntnis grundlegender Strukturen der Wirtschaftsbeziehungen der EU mit ihren Handelspartnern sei eine rationale Politikgestaltung nicht möglich. Hintergrund des Briefs ist der Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten: US-Präsident Donald Trump wirft den Europäern und insbesondere Deutschland vor, viel mehr Waren nach Amerika zu verkaufen, als von dort zu importieren. Trump hält das für unfair und begründet damit seine Zolldrohungen gegen die Autoindustrie. Er kann sich dabei auf Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat berufen. Sie weist in der Leistungsbilanz, in der der Warenhandel ein wichtiger Posten ist, für das Jahr 2017 einen Überschuss der EU mit den Amerikanern in Höhe von 154 Milliarden Euro aus. Dieser Wert könnte allerdings viel zu hoch sein. Denn die Amerikaner weisen in ihrer spiegelbildlichen Leistungsbilanz mit der EU ihrerseits einen Überschuss von umgerechnet 13 Milliarden Euro aus. Diese Diskrepanz "ist zu groß für einen reinen Messfehler", heißt es in dem Brief. Die große Diskrepanz in den Daten erklären die Forscher vor allem mit Mängeln der europäischen Statistik. Es gebe "gewisse Anzeichen dafür, dass die amerikanischen Daten die Realität besser abbilden als die europäischen". In die Leistungsbilanz fließt nicht nur der Güterhandel ein, sondern auch der Austausch von Dienstleistungen sowie sogenannte Primär- und Sekundäreinkommen. Primäreinkommen sind zum Beispiel Gewinne, die deutsche Unternehmen in Amerika erwirtschaften, zu den Sekundäreinkommen zählt unter anderem die Entwicklungshilfe. Das Gremium bemängelt, dass die europäischen Statistiken aus Datenlieferungen einzelner Staaten zusammengestellt werden, "wobei die zentrale Stelle aber keine Durchgriffsmöglichkeiten auf die nationalen Statistikämter hat". Anders als in den USA "fehlen in den Daten von Eurostat detaillierte Unterkonten zur Zusammensetzung der Primäreinkommensflüsse, oder sie sind unvollständig". Der Beirat sieht es als "dringend geboten" an, die Unklarheiten aufzuklären. Zumal die Statistik auch Einfluss auf die Berechnung der Mitgliedsbeiträge zur EU habe. "Ob Deutschland zu viel oder zu wenig zahlt, kann erst sicher nach der Aufklärung der Datendiskrepanzen festgestellt werden", sagte der Beirats-Vorsitzende Gersbach.
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