Kultur
Michaela Klamminger erhält Volksbühne-Preis
Die Schauspielerin im Gespräch
(Quelle: Michaela Klamminger)
GDN -
Die am Staatstheater Kassel engagierte Michaela Klamminger hat den diesjährigen Volksbühne-Preis erhalten. Zu diesem Anlass habe ich mich mit der Schauspielerin getroffen, um mit ihr über ihren Beruf, ihren Weg zur Schauspielerei und ihre gegenwärtige Wahlheimat zu sprechen.
Im Anschluss an eine Aufführung im tif (Theater im Fridericianum, Kassel) habe ich mich mit Michaela Klamminger in einer nah gelegenen Vinothek zu einem Interview verabredet. Das Stück, das sie soeben gespielt hat, richtet sich vornehmlich an ein jugendliches Publikum, weshalb ich die Schauspielerin frage, ob es für sie eine Besonderheit darstellt, für ein überwiegend junges Publikum zu spielen.
“Beim Spielen ist das völlig egal und es ist auch genau die gleiche Aufregung vor der Aufführung, weil ich das Publikum immer gleichermaßen ernst nehme. Ich finde es besonders reizvoll Jugendliche, die vielleicht noch nicht so theatererfahren sind, gedanklich abzuholen und das funktioniert auch, wenn man sie ernst nimmt und auf ein Stück vorbereitet, was hier in Kassel durch ein gutes theaterpädagogisches Angebot auch geschieht.“
Auf durch Schulklassen verursachte Störungen während der Aufführung angesprochen, entgegnet Michaela Klamminger: “Ja, das kommt schon vor, aber letztlich sind Reaktionen im Publikum immer toll. Ich mag es, wenn eine Spannung im Raum herrscht. Das bekommt man auf der Bühne mit und das ist mir lieber, als wenn Langeweile im Zuschauerraum herrscht oder ich sogar schlafende Zuschauer entdecke.“ Auf meine Nachfrage bestätigt sie, dass dieses tatsächlich gelegentlich vorkommt. ““¦besonders häufig in der Vorweihnachtszeit, wenn die Leute ohnehin gestresst sind und dann abends ins Theater gehetzt kommen. Wobei ich den Menschen das dann auch gönne“, fügt sie lachend hinzu. “Wir bieten ihnen die Chance mal zur Ruhe zu kommen.“
Michaela Klamminger wurde 1989 in Österreich, in der Landeshauptstadt der Steiermark Graz, geboren. An ihre Kindheit erinnert sie sich gerne. “Ich war ein temperamentvolles Kind, das sich aber auch immer mal wieder Rückzugsmöglichkeiten geschaffen hat. Schon im Alter von 9 Jahren habe ich mehrmals in der Woche im Kinder- und Jugendtheater vor bis zu 500 Zuschauern gespielt.“ Einige Jahre später hat Michaela Klamminger ein Casting gewonnen und begann, eine Radiosendung für Kinder zu moderieren - die “Knax-Kids-Radio“ Show.
Auf ihren Wunsch, den Beruf der Schauspielerei einzuschlagen, angesprochen, schildert Michaela Klamminger, dass sie bereits als Kind gerne Filme nachgespielt habe. Zu jener Zeit habe sie jedoch in ihrer Fantasie auch weitere Berufswünsche verfolgt. “Nonne, Supermarktkassiererin, Skiläuferin und Schlagerstar kamen in Betracht“¦ naja“¦ Nonne kam früher oder später nicht mehr infrage, der Zauber der Supermarktkassiererin war irgendwann verflogen und Skiläuferin wollte ich eigentlich nur werden, weil mich die Interviews nach den Rennen gereizt haben“, lacht sie. “Am Ende blieb der Beruf der Schauspielerin, weil man in jede erdenkliche Rolle schlüpfen kann“¦ man kann alles sein!“
Von ihrer Familie sei sie in ihrem Berufswunsch uneingeschränkt unterstützt worden. “Meine Eltern haben mich in meiner Kindheit manchmal versucht in meinem Enthusiasmus zu bremsen, weil sie auf mich aufpassen wollten und Angst hatten, dass ich mich mit all den Theaterterminen übernehme. Ich sollte auch mal Kind sein. Aber sie standen immer hinter mir und haben mir jede Möglichkeit zur Entfaltung gegeben! Die Entfernung, die der Beruf jetzt mit sich bringt, tut ihnen sicherlich weh, aber sie kommen oft zu Premieren und sind auf jeden Fall stolz auf mich.“
In ihrer Heimatstadt Graz absolvierte Michaela Klamminger ihre Schauspielausbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst. Doch obwohl diese überaus erfolgreich verlief und ihr eine vielversprechende Zukunft prognostiziert wurde, ließ ein erstes Engagement lange auf sich warten, bis unverhofft das Nationaltheater Mannheim anrief und die frisch gebackene Schauspielerin zum Vorsprechen einlud. “Mir war instinktiv sofort klar, dass Mannheim meine Zukunft sein wird! Ich bin dorthin gefahren und habe so getan, als gehöre ich bereits zum Haus“, schüttelt Michaela Klamminger lachend den Kopf. ““¦und ich habe das Engagement letztlich auch bekommen.“
Von 2011 bis 2015 war Michaela Klamminger festes Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim. “Dann habe ich gespürt, dass ich einen Wechsel benötige“¦ ich brauchte etwas Neues.“ Sie erhielt einen Anruf vom Oberspielleiter des Staatstheaters Kassel, Markus Dietz, der sie zu einem Vorsprechen einlud, welches sie erfolgreich absolvierte und bereits auf dem Rückweg einen Anruf aus Kassel erhielt, in dem ihr verkündet wurde, dass sie ab der kommenden Spielzeit (2015/16) am Staatstheater engagiert sei.
Mich interessiert, wie die neue Umgebung, auch außerhalb des Theaters, in den Anfangsjahren auf die Schauspielerin gewirkt hat. “Ich habe schon ein bisschen Zeit gebraucht, um mich einzugewöhnen“, räumt sie ein. “Am Anfang habe ich mich gefragt, warum die Menschen hier so selten lächeln, bis ich verstanden habe, dass sie einfach ehrlich sind. Kassel ist eine schnörkellose, ungekünstelte, sehr ehrliche Stadt und das schätze ich inzwischen sehr. Man kann hier sehr gut essen, es gibt viel Grün, man ist schnell in der Natur und solch großartige Orte wie die Aue oder der Bergpark sind einfach ein Geschenk!“
Ich erkundige mich, ob ihre österreichischen Wurzeln auch in Nordhessen noch spürbar sind, worauf Michaela Klamminger schmunzelnd reagiert: “Ja!!! Manchmal komme ich um 23 Uhr von der Probe nach Hause, stehe noch total unter Strom und kann nicht schlafen“¦ dann stelle ich mich an den Herd und mache mir Kaiserschmarrn.“ Auch ein typisches Gulasch stehe bei ihr regelmäßig auf dem Speiseplan.
Ich frage Michaela Klamminger, welche Rollen, die sie in Kassel in der Vergangenheit gespielt hat, ihr besonders in Erinnerung geblieben sind, was sie ohne lange nachzudenken beantwortet: “Meine Lieblingsstücke sind INTERVENTION, weil der Text von Rebekka Kricheldorf toll ist und DIE OPFERUNG VON GORGE MASTROMAS, wo ich eine kaltblütige Geschäftsfrau spiele.“
Auf die Frage, wie sie sich einer neuen Rolle annähere, beschreibt sie nach kurzer Überlegung ein beständig wiederkehrendes Muster. “Am Anfang steht immer die Freude und Neugierde auf eine Rolle und irgendwann kommt immer die Phase des Frustes, in der ich denke, dass ich eigentlich gar nichts über die Figur weiß. In den Proben gibt es aber stets früher oder später den entscheidenden Moment“¦ den Knackpunkt“¦ und plötzlich verstehe ich etwas“¦ Aber die Phase davor ist immer sehr frustrierend. Da wünschte ich mir manchmal, ich hätte mehr Vertrauen zu mir selbst, könnte entspannter sein und die anfängliche Ungewissheit auch genießen.“ Ihre Stärke sei es aber, sich von diesen Frustrationen nicht niederringen zu lassen. “Ich gebe niemals auf!“
Angesprochen auf unerwartete Zwischenfälle während einer Aufführung, erinnert sich Michaela Klamminger an die einige Monate zurückliegende Premiere des Monologstücks “Am Boden“. “Ich war auf alles eingestellt und vorbereitet“¦ Handyklingeln im Zuschauerraum und ähnliches“¦ Ich sprach meinen ersten Satz: `Ich bin“¦`, als ein Zuschauer in der zweiten Reihe aufstand und eilig den Raum verließ. Ich dachte mir, dass ich doch noch nicht so viel falsch gemacht haben konnte“¦ ich hatte schließlich nur `Ich bin` gesagt“¦.“, lacht sie. “Der Mann hat während des gesamten Stückes gewartet, mich nach der Aufführung angesprochen und sich höflich entschuldigt. Ihm sei schlagartig übel geworden, weshalb er schleunigst den Raum verlassen musste.“
Im Anschluss an einen Italienischkurs, den sie derzeit an der Volkshochschule besucht, erreichte Michaela Klamminger vor einigen Wochen ein überraschender Anruf. “Frau Klamminger“¦“, eröffnete eine unbekannte Stimme das Gespräch, “wir müssen ihnen eine Mitteilung machen“¦“ “Ich war total erschrocken, weil der Herr am Telefon so ernsthaft klang“, erinnert sie sich. Doch es folgte eine äußerst erfreuliche Überraschung: Das Kasseler Publikum hatte sie zur diesjährigen Gewinnerin des Volksbühne-Preises erkoren. “Ich habe mich riesig gefreut“, offenbart sie mit leuchtenden Augen “und sofort alle Freunde und meine Familie angerufen.“
Auf meine abschließende Frage, ob es Traumrollen gibt, die sie gerne auf der Bühne verkörpern möchte, erklärt die Schauspielerin nach längerem Nachdenken: “Eigentlich nicht“¦ Nora von Ibsen oder Madame Bovary wären natürlich schon toll. Aber ich werde auch sehr gerne überrascht. Es ist interessant, auf welche Ideen Regisseure kommen und in welchen Rollen sie mich sehen. Da bin ich manchmal wirklich verblüfft“¦ aber das ist reizvoll und macht Spaß.“
Auch das Kasseler Publikum darf gespannt sein, welch unterschiedliche Figuren Michaela Klamminger in Zukunft auf der Bühne des Staatstheaters verkörpern wird. Wie sehr es die charmante und bodenständige Österreicherin schätzt, hat es mit der Vergabe des Volksbühne-Preises unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. “ƒ
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