Politik
Veranstaltung MITSOMMER IN KASSEL wurde verboten
Verwaltungsgerichte bestätigen Verbot
Demonstration im März in Kassel (Quelle: heldmann.photography)
GDN -
Im März fand in Kassel eine bundesweit beachtete Veranstaltung von Gegnern der Coronapolitik statt. Neben einer genehmigten stationären Veranstaltung auf der „Schwanenwiese“ waren es eine fünfstellige Zahl von Menschen, die entgegen dem Demonstrationsverbot stundenlang durch die Innenstadt zogen.
Veranstalter im März war eine Gruppe, die sich „Freie Bürger Kassel“ nennt. Ihre damaligen Wortführer, die nur unter Pseudonym „Sunny“ bzw. Vornamen Ilhan und Jan (letzterer war als Jan Philip Z. aus Lohfelden der offizielle Anmelder) auftraten, hatten trotz eines städtischen Verbots, dass von den Verwaltungsgerichten aufgehoben und in eine Genehmigung einer stationären Versammlung für bis zu 6000 Personen bis zuletzt bundesweit zu einem Demonstrationszug und einer Großveranstaltung auf der Karlswiese im Barockpark Karlsaue mobilisiert. Erst wenige Stunden vor dem Versammlungsbeginn haben sie auf die Rechtslage aufmerksam gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die meisten Teilnehmer bereits angereist oder unterwegs. GDN hat dazu ausführlich berichtet (Corona-Demo - VGH erlaubt stationäre Versammlung mit 6000 Teilnehmern - Kurt U. Heldmann - German Daily News)
Jetzt, ziemlich genau drei Monate später, soll erneut eine Großveranstaltung gegen die Corona-Maßnahmen in Kassel stattfinden. Angemeldet wurde sie unter dem Titel „Mittsommer in Kassel“ für den morgigen Samstag auf dem zentralen, historischem Friedrichsplatz, der weltweit v.a. durch die Kunstaustellung documenta bekannt ist. Als Veranstalter treten verschiedene bekannte, aber auch bisher nicht öffentlich in Erscheinung getretene Bündnisse auf. Die Personen dahinter sind allerdings schon lange als Aktivisten bekannt. So ist Philip K. einer der Organisatoren und Anmelder der regelmäßigen Autokorsos in Kassel. Silke J. und Felix B. ist ebenfalls schon im März und bei anderen Veranstaltungen aufgetreten. Die enge Verbindung zu den „Freien Bürgern“ wird auch dadurch sichtbar, dass der VGH in seiner Pressemitteilung informiert: „Zwei weitere Angehörige der „Freien Bürger Kassel“ hatten gleichartige Versammlungen für denselben Zeitraum auf dem Messeplatz Schwanenwiese und dem Platz der Deutschen Einheit sowie als Aufzug mit wiederholter Passage des Innenstadtrings angemeldet.“
Die Stadt Kassel hatte alle für den 19. Juni in Kassel angemeldeten Versammlungen untersagt. In einer Pressemitteilung der Stadt vom 14.6.2021 heißt es dazu u.a.: „Gerade auf Grund der negativen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit mit dem zu erwartenden, bundesweit mobilisierten Teilnehmerkreis aus der Querdenker-Szene sind nach Auffassung der Stadt Kassel die Untersagungen gerechtfertigt. So war es unter anderem am 20. März 2021 in Kassel zu derartigen Versammlungen gekommen, bei denen gerichtlich festgesetzte Auflagen und notwendige Hygienemaßnahmen nicht eingehalten wurden.“ Dass die „Freien Bürger Kassel“ mit ihrem Verhalten im März den Ordnungsbehörden Argumente frei Haus geliefert haben, ähnliche Versammlungen zu untersagen, hatten wir schon damals geschrieben. Das bestätigte sich nun. Auch wenn die Begründung der Stadt, die bei einer bundesweiten Inzidenz von 0,17 Promille eine „mit dem Zusammentreffen vieler Menschen einhergehenden gesteigerten Infektionsrisikos“ (PM vom 14.6.21) sieht, frei jeder wissenschaftlichen Evidenz ist.
Diese Begründung hat das Verwaltungsgericht Kassel in einem Eilverfahren für nicht tragfähig zurückgewiesen. In dessen Pressemitteilung vom 16.6.2021 heißt es dazu: „Die Kammer hat dabei durchaus in den Blick genommen, dass das Infektionsgeschehen
in letzter Zeit deutlich zurückgegangen ist. Deshalb sei ein Versammlungsverbot allein unter Hinweis auf die Infektionslage nicht gerechtfertigt.“ Gleichwohl bestätigt es das Verbot der Versammlungen. „"Im Übrigen hat das Gericht auf einen dahingehenden Vortrag des Antragstellers ausgeführt, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) selbstredend auch für sog. Querdenker gelte; diese sich aber bei der Inanspruchnahme dieser Freiheit an geltendes Recht, insbesondere Auflagen der Versammlungsbehörde, zu halten hätten. ... Hier biete der Antragsteller und die zu erwartenden Versammlungsteilnehmer aber keine Gewähr dafür, dass entsprechende Auflagen, welche der Verringerung des Infektionsrisikos dienten, tatsächlich umgesetzt und eingehalten würden. ... Weil die Auflösung der Versammlung daher absehbar wäre, dürfe die Versammlungsbehörde diese auch präventiv verbieten."
Bemerkenswert, dass das Gericht diese Argumentationslinie bei den Veranstaltungen, die die Unterstützer staatlicher Grundrechtseingriffe und der Transformation des Landes zu einem Überwachungsstaat unter dem Motto „Für soziale Pandemiebekämpfung, gegen Wissenschaftsleugnung und Verschwörungsideologie“
und „Kassel bleibt solidarisch“ angemeldet haben und die von der Stadt ebenfalls untersagt waren, nicht durchhält. Hier gewichtete das Gericht die festgestellten Auflagenverletzungen anders. „Im Unterschied zu der Entscheidung vom 16. Juni 2021 sei bezüglich der hier beabsichtigten Demonstrationen nicht zu erwarten, dass sich Anmelder und Teilnehmer an etwaige Auflagen nicht halten würden. Dies sei aber Voraussetzung dafür, ein (totales) Versammlungsverbot auszusprechen. … Selbst wenn es seitens dieser am 20. März 2021 auch zu einzelnen Verstößen gegen Auflagen gekommen sei, bestünden keine Anhaltspunkte für künftige Auflagenverstöße. Deshalb komme vorliegend ein präventives Verbot nicht in Betracht.“ (PM des VG Kassel vom 18.6.21) Auch die Tatsache, dass es erst vor einer Woche bei Kundgebungen und Demonstration „Gegen Abschiebungen“ unter den Augen starker Polizeikräfte und der städtischen Ordnungsbehörden laufende Verstöße gegen die Versammlungsauflage, Abstände einzuhalten, gab, wurde vom Verwaltungsgericht nicht als „Anhaltspunkte für künftige Auflagenverstöße in Betracht“ gezogen. Dies obwohl sowohl Veranstalter wie auch potenzielle Teilnehmer der erlaubten Versammlungen am Samstag mit denen von letzter Woche Freitag identisch sind.
Die Veranstalter des „Mitsommer“ haben ebenso Rechtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt, wie die Stadt Kassel gegen die Eilentscheidung zur Genehmigung der zwei Versammlungen. Dieser hat ebenfalls heute die VG-Entscheidungen bestätigt. Er „begründet die Zurückweisung der Beschwerde im Wesentlichen mit den bei Versammlungen der Querdenker-Bewegung gesammelten Erfahrungen, insbesondere im Rahmen der Ereignisse in Kassel vor etwa drei Monaten am 20. März 2021. Damals sei es zu umfangreichen Verstößen gegen die Auflagen zum Tragen von Masken und zum Einhalten von Mindestabständen gekommen. Das Verbot der Durchführung eines Demonstrationszuges sei ebenso missachtet worden wie die örtliche Beschränkung auf die Schwanenwiese und den Platz der Deutschen Einheit aufgrund des Beschlusses des Senats vom 19. März 2021 (Az. 2 B 588/21). Auch seien von Teilnehmern der Versammlung am 20. März 2021 gegenüber unbeteiligten Passanten, die Masken getragen hätten, aggressive Verhaltensweisen an den Tag gelegt worden; diese seien angeschrien und beleidigt worden.“ (PM des VGH vom 18.6.21) Hinsichtlich der Erlaubnis der beiden so genannten Gegendemonstrationen gibt es kein Rechtsmittel; die Ablehnung der "Mitsommer"-Veranstaltung könnte noch beim BVerfG mit einem Eilantrag angefochten werden.
Neben den Verbotsverfügungen hat die Stadt Kassel noch eine weitere Maßnahme verfügt. Sie hat „zum Schutze der Bevölkerung vor der Weiterverbreitung des Coronavirus in einer Allgemeinverfügung eine für das Wochenende in Teilen des Stadtgebiets geltende Mund-Nasen-Bedeckungspflicht anordnen. Diese gilt von Samstag, 19. Juni, 6 Uhr, bis Sonntag, 20. Juni, 12 Uhr, im öffentlichen Raum unter freiem Himmel für einen festgelegten Teil des Stadtgebiets. Die Einhaltung wird durch Polizei und Ordnungsamt verstärkt kontrolliert, und Verstöße werden sanktioniert.“ Weiter führt die Stadt Kassel in ihrer PM vom 17.6.21 aus: „Die Stadt Kassel (wird) es nicht dulden, dass erneut durch Rücksichts- und Respektlosigkeit die Gesundheit vieler Menschen gefährdet wird. Das SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen ist nach wie vor diffus und das Risiko einer Ansteckung durch die Virusmutanten erhöht. Insbesondere unbeteiligte Dritte im Stadtgebiet, die anderen Personen nicht ausweichen könnten, wären einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.“
Bei dieser Fake-Begründung haben die Kundgebungsteilnehmer der nun erlaubten Versammlung „gegen Wissenschaftsleugnung und Verschwörungsideologie“ ein Thema. Denn anders, als von der Stadt behauptet („erneut durch Rücksichts- und Respektlosigkeit die Gesundheit vieler Menschen gefährdet wird“) gibt es keinerlei Indizien oder gar Belege, dass durch die Teilnehmer am „Frühlingserwachen“ am 20. März auch nur ein einziger Bürger oder eine einzelne Bürgerin Kassel mit dem Sars-CoV2-Virus infiziert worden wäre. Das ist also nichts anderes als eine Verschwörungstheorie. Und von einer wissenschaftlichen Evidenz ist die Behauptung, „unbeteiligte Dritte im Stadtgebiet, die anderen Personen nicht ausweichen könnten, wären einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt“, meilenweit entfernt. Der seit langem bekanntem Stand der Wissenschaft ist (und war auch bereits vor drei Monaten), dass Ansteckungen im Freien gegen Null gehen. Hinzu kommt, dass bei der für Samstag erwarteten Sonneneinstrahlung und Thermodynamik Atemwegsviren nicht übertragungs- und überlebensfähig sind.
Welche Gründe die Stadt zu dieser Allgemeinverfügung wirklich bewogen hat, dazu gibt es unterschiedliche Theorien. Die Veranstalter des „Mitsommer“ meinen, die Bürger Kassel sollten in eine Art „Geiselhaft“ genommen werden, indem ihnen zugemutet wird, bei Temperaturen von über 30 Grad Celsius in der Innenstadt beim Einkaufen oder beim Spazierengehen in den Grünzügen an der Fulda mit Gesichtsverhüllung laufen zu müssen. Übrigens sind Jogger oder Walker nicht ausgenommen! Ein Insider aus einer lokalen Ordnungsbehörde, der aus nachvollziehbaren Gründen unbenannt bleiben möchte, meinte hingegen, Ziel sei es, eine Grundlage für möglichst viele Bußgeldverfahren zu schaffen; darauf deutet ja auch der Halbsatz hin: „und Verstöße werden sanktioniert“. Vielleicht ist es aber auch nur ein Ausdruck von Machtpolitik nach dem Motto, „Wir machen es, weil wir es können.“ Oder ein Zusammenspiel aus allen genannten Gründen.
Die Anmelder und Veranstalter des „Mitsommer in Kassel“ haben sich am Freitag nach der Entscheidung des VGH ebenfalls öffentlich erklärt:
„Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in 2. Instanz festgestellt, dass die Untersagung der Versammlung "Mittsommer in Kassel" durch die Stadt Kassel rechtmäßig ist. Daher darf die Versammlung nicht stattfinden. Allerdings überprüfen wir, ob dagegen ein Rechtsmittel eingelegt wird. Wir sehen eher davon ab, das Verbot weiter anzufechten, da wir nicht wollen, dass die Stadt Kassel die Bevölkerung mit weiteren Repressalien belegt, wie sie es laut HNA bereits durch eine Pflicht zum Tragen einer MNB getan haben soll. Nichts desto trotz, werden wir einen schönen Tag in Kassel erleben. Wir werden uns dann an einem schönen Ort außerhalb der Maskenzone aufhalten.“
Davon gibt es einige, etwa den Bergpark Wilhelmshöhe, der allerdings ebenso wie die Karlsaue für politische Versammlungen tabu ist. Allerdings hatte das die „Freien Bürger“ im März auch nicht gestört, haben sie doch bis zuletzt dieses Verbot ignoriert und zu einer Kundgebung auf der Karlswiese aufgerufen. Dann gibt es noch das schöne Naturschutzgebiet Dönche und, das ist wohl am wahrscheinlichsten, das Freizeitgelände Buga. Hier wird es bei dem für Samstag erwarteten hochsommerlichen Wetter ohnehin Hochbetrieb geben. Da fallen einige weitere Menschen kaum auf. GDN wird das Geschehen beobachten und berichten.
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