Reisen
Stellwerk-Chaos: Bahnchef Grube entschuldigt sich und gelobt Besserung
GDN -
Erstmals seit Auftreten der massiven Probleme im Schienenverkehr in und um Mainz hat sich Bahnchef Rüdiger Grube direkt an die Kunden gewandt und sich entschuldigt. Er kündigte eine schnelle Besserung der aktuellen Zustände sowie eine grundsätzliche Aufarbeitung der Ursachen der Beeinträchtigungen an.
"Ich entschuldige mich ausdrücklich für die entstandenen Probleme", sagte Grube der "Welt am Sonntag". Der Bahnchef hatte nach eigenem Bekunden von den Problemen in Mainz erfahren, als er "gerade in den Urlaub ins Ausland aufgebrochen" war - und die Reise umgehend abgebrochen. "Ich kann unsere Mitarbeiter nicht bitten, ihren Urlaub vielleicht zu verschieben, wenn ich selbst nicht mit gutem Beispiel vorangehe", sagte der Bahnchef der Zeitung. Grube kündigte an, bei vergleichbaren Situationen erneut zum Hörer zu greifen und Mitarbeiter zu bitten, ihren Urlaub zu verschieben. "Es war richtig, es ist richtig und ich würde es genauso wieder machen. Wir haben hier eine Ausnahmesituation. Da darf nicht lange gefackelt werden. Ich habe keinerlei Druck gemacht und auch niemanden angerufen, der sich bereits im Urlaub befindet", sagte Grube. "Ich habe acht Fahrdienstleiter aus Mainz angerufen und sie gebeten zu überlegen, ihren für September und Oktober geplanten Urlaub zu verschieben, bis wir im November qualifizierte Verstärkung bekommen. Ausdrücklich habe ich gesagt: Alle sollten erst mal in Ruhe darüber schlafen und das mit ihren Familien besprechen. Die Reaktion war ganz überwiegend positiv, die Mitarbeiter hätten nicht gedacht, dass man so persönlich auf sie zugeht." "Weit über die Hälfte" der angesprochenen Mainzer Fahrdienstleister hätten sich bereit erklärt, der Bitte ihres obersten Chefs nachzukommen. "Ein paar", so Grube weiter, "überlegen noch." Konkrete Zahlen nannte der Manager in diesem Zusammenhang nicht. Ihm selbst sei nicht mehr nach Verreisen. "Ich denke zurzeit keine Sekunde mehr an Urlaub", bekannte Grube. Gemeinsam mit der Gewerkschaft EVG soll in den kommenden Wochen ermittelt werden, wo im Konzern tatsächlich eine deutliche Unterbesetzung besteht. Die Probleme in Mainz waren aufgetreten, weil das Stellwerk im Hauptbahnhof aufgrund von Krankheit und Urlauben nur noch zur Hälfte besetzt ist. Das Ergebnis der Untersuchung werde zeigen, wo aufgestockt werden müsse, so Grube. "Bei den Fahrdienstleitern, das wissen wir jetzt, gibt es in manchen Bereichen zu wenig Mitarbeiter. Bei den anderen Berufsgruppen müssen wir uns das gemeinsam anschauen. Sollte es nötig sein, werden wir schnell handeln", stellte der Bahnchef gegenüber der "Welt am Sonntag" in Aussicht. Um die bestehenden Missstände zu beseitigen, werde es allerdings nicht ausreichen, nur mehr Personal einzustellen. "Es kommt auch darauf an, die Bedingungen der bestehenden Belegschaft zu verbessern", erklärte Grube. Er nannte unter anderem die Beamten im Konzern. "Die beklagen sich beispielsweise über das Pingpong-Spiel, wie sie es nennen, von Bahnmanagement und der für Bahnbeamte zuständigen Behörde, dem Bundeseisenbahnvermögen. Keiner fühle sich zuständig für Beförderungen. Befördert werde - trotz des Anspruchs durch Stellenbeschreibung und Aufgabe - nur ganz selten. Das sorgt für Frust", sagte Grube. Zuvor war der Bahnchef zu einem Blitzbesuch in das Stellwerk in Mainz gereist. Dort tun überwiegend beamtete Eisenbahner Dienst. Zudem könne man den 31.700 Beamten der Bahn in Deutschland nicht wie den Angestellten für gute Leistungen eine Prämie zahlen, weil die allermeisten Beamten eine solche Prämie nur sehr eingeschränkt annehmen dürfen. "Da müssen wir ran", kündigte der Bahnchef an. Trotz der eingeleiteten Maßnahmen - die Bahn hatte aktive Mitarbeiter zur Verschiebung des Urlaubs aufgefordert und Ruheständler um zeitweise Rückkehr gebeten - könne man nicht davon ausgehen, dass die grundsätzlichen Defizite in kurzer Zeit vollkommen abgestellt würden, so Grube. "Man kann die Situation nicht per Knopfdruck ändern, Fahrdienstleiter ist doch nicht irgendein Job wie Wurstwenden an der Frittenbude - auch wenn das jetzt zu meinem großen Ärger teilweise so dargestellt wird. Nein, dafür braucht man Mitarbeiter, die eine anspruchsvolle berufliche Ausbildung absolvieren. Und Quereinsteiger müssen ebenfalls gründlich qualifiziert werden, das braucht seine Zeit." Er könne auch nicht dafür garantieren, dass sich ein Ausfall wie im Stellwerk Mainz in absehbarer Zeit nicht wiederhole. "Wir tun alles, um es zu verhindern. Aber gerade wurden an einem anderen Stellwerk in der Nähe von Mainz Leitungen bei Bauarbeiten beschädigt, schon haben wir ein Problem. Das Bahnwesen ist schlichtweg sehr komplex und damit störungsanfällig", sagte Grube. Der Vorstandschef wies die Feststellung der Bahngewerkschaft EVG zurück, wonach es in vielen Bereichen des Unternehmens zu wenig Mitarbeiter gebe. "Wir haben Geschäftsfelder bei der Bahn, in denen wir unter anderem konjunkturbedingt eher zu viele Mitarbeiter haben, beispielsweise im Schienengüterverkehr. Oder nehmen wir den Regionalverkehr, in dem wir ganz bewusst einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind", sagte Grube. "Aber richtig ist, dass die DB Netz in manchen Bereichen Nachholbedarf hat. Das prüfen wir jetzt und werden schnell handeln." Derzeit gebe es bei der Deutschen Bahn 1.800 offene Stellen. "Das ist unser Bedarf, aber die Zahl spiegelt nicht wieder, dass wir seit Jahren in großem Umfang einstellen", erklärte Grube und will damit den Vorwurf entkräften, die Bahn habe den nötigen Stellenaufbau vernachlässigt. "Wir haben im vergangenen Jahr 11.099 Neueinstellungen gehabt, netto hat die Bahn seit 2011 rund 5.000 Jobs geschaffen. In den kommenden Jahren werden wir rund 80.000 Mitarbeiter allein in Deutschland über die natürliche Fluktuation verlieren, die müssen wir ersetzen und das werden wir", rechnete der Vorstandschef vor. "Wir sind zurzeit in Deutschland das Unternehmen mit den meisten Neueinstellungen." Auch die Kritik der Arbeitnehmervertreter, das Management habe es verschlafen, auf den demographischen Wandel zu reagieren, wies Grube zurück. "Die Bahn wurde zwei Jahrzehnte saniert, jetzt wird rekrutiert. Aber inzwischen haben wir reagiert und sehr viele Personalmanager ins Unternehmen geholt, die sich mit diesem demografischen Thema befassen. Mit Kollegen aus Personalabteilungen, die jahrelange Mitarbeiter nur abgebaut haben, geht das nicht allein. Jetzt wird systematisch der Bedarf untersucht."
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