Kultur

Glam! The Performance of Style

Grellbunte Ausstellung in Frankfurt


Glam! The Performance of Style Ausstellungsansicht (Quelle: Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: N.Miguletz)
GDN - Es glitzert und flimmert in den Ausstellungsräumen der Schirn Kunsthalle in Frankfurt.
Noch bis zum 22. September wird dort, mit der Ausstellung “Glam - The Performance of Style“, eine überaus lebendige Periode unserer jüngeren Kulturgeschichte beleuchtet.
“Glam“ - jenem extravaganten Stil, der in den 1970er Jahren vor allem von Musikern wie David Bowie oder Marc Bolan versinnbildlicht wurde, wird derzeit eine abwechslungsreiche Ausstellung gewidmet, die erstmals den weitreichenden Einfluss jener Ära verdeutlicht. Mit der Überbetonung der Oberflächlichkeit und des Künstlichen drängte “Glam“ die inhaltliche Bedeutung scheinbar an den Rand. Doch letztlich ging es doch um mehr als nur um Style. “Glam“ war auch eine Haltung, eine Lebensweise, die mit Ironie und reichlich Theatralik, Begriffe wie Identität und Geschlecht hinterfragte.
Glam! The Performance of Style Ausstellungsansicht
Quelle: Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: N.Miguletz
Schwebende silberne Kissen heißen die Besucher in der Rotunde am Eingangsbereich der Schirn-Kunsthalle willkommen. Diese, einst von Andy Warhol kreierte Installation, scheint ein idealer Einstieg in die Ausstellung zu sein, denn Warhols Interesse an Glamour, Stil und Mode sowie seine Obsession für Oberfläche und Pose beeinflussten die Ästhetik des “Glam“ maßgeblich. Als der Pop Art-Künstler 1964 die Wände seines Ateliers mit silberner Folie überziehen ließ und dadurch eine Umgebung reflektierender Oberflächen schuf, war eine entscheidende Grundlage des “Glam“ gelegt. Pat Hackett, eine einstige Warhol-Vertraute erinnert sich: “Es war die perfekte Zeit um silbern zu denken [...] Silber war Narzissmus - Spiegel waren mit Silber beschichtet.“
Jahre bevor Glam-Rockstars wie David Bowie mit seiner exhibitionistischen Verwandlungswut, die Band Roxy Music, mit dem aristokratischen Bryan Ferry und dem androgynen Paradiesvogel Brian Eno oder Alice Cooper mit Horrorfilm-Maskerade die internationalen Musikcharts beherrschten, erkannte Warhol mit seinem untrüglichen Gespür, die Möglichkeiten innere Einstellungen zu projizieren. Bereits in den 1960er Jahren schuf er in seiner Umgebung ein Paralleluniversum, mit einem Konzept des “Superstars“, das die Ausformungen des “Glam“ der 1970er Jahre vorwegnahm und ermöglichte.
Der Titel der Ausstellung “Glam! - The Performance of Style“ macht deutlich, wie die Ausstellungsmacher “Glam“ verstehen. Jeder ist Hauptdarsteller seines eigenen Films. Mit reichlich Fantasie, einigen Accessoires und dem Mut zur Selbstironie kann jeder die alltäglichen, von der Gesellschaft errichteten Grenzen überwinden. “We can be Heroes“, beschwört David Bowie. Neben Werken von Gilbert & George, Peter Hujar, Allen Jones, Sigmar Polke, Ulay und vielen anderen, runden Fotografien von Mick Rock und Karl Stoecker, Originalkostüme sowie umfangreiches Dokumentationsmaterial die Ausstellung ab.
David Bowie at Earl“™s Court, May 1973
Quelle: Mick Rock
Es war ein bahnbrechender Moment in der Geschichte des “Glam“ als sich Marc Bolan 1971 bei einem TV-Auftritt ganz in Glitter hüllte. In den folgenden Jahren wurde der Anspruch auf Authenzität in der Popmusik ersetzt durch dramatische Überinszenierung, Illusion und Ironie. Am geschicktesten bediente sich der einstige Folksänger David Bowie an den Elementen des “Glam“ und bündelte diese 1972 in der Rolle des androgynen Ziggy Stardust. Mit der fortwährenden Neuerfindung fiktiver Persönlichkeiten trieb Bowie das Spiel mit der eigenen Identität auf die Spitze und steht bis heute stilbildend für diese Ära.
B. Ferry wearing stage costume by A.Price
Quelle: Karl Stoecker
B. Eno wearing stage costume by Carol McNicoll
Quelle: Karl Stoecker
Die Schau in Frankfurt weiß zu unterhalten. Je nach Alter wird der Besucher in Erinnerungen schwelgen oder sich lächelnd wundern, welch eigenwillige Bekleidung die Elterngeneration als angemessen angesehen hat. “Man konnte herumlaufen, wie man wollte. Niemals drehte sich jemand nach uns um“, erinnert sich eine ältere Ausstellungsbesucherin. Sie hat den Anfang der 1970er Jahre in London, neben New York einer der Schmelztiegel des “Glam“, verbracht. Interessant sind die erkennbaren Unterschiede, hinsichtlich der Ausformungen des “Glam“, zwischen diesen beiden Metropolen. Ebenso, wie die Tatsache, dass “Glam“ auf dem europäischen Festland, wie zum Beispiel auch in Deutschland, kaum präsent war.
Widmet man sich der auf den ersten Blick unscheinbaren Fotoserie von Cindy Sherman, den Schnappschüssen von Nan Goldin oder der stummen Diainstallation von Katherina Sieverding, wird deutlich, dass “Glam“ zentrale Fragen aufgeworfen hat. Das Spiel mit der geschlechtlichen Identität, war eben nicht nur Pose und Entertainment, sondern der Versuch starre Gesellschaftsbilder zu durchbrechen. Und wenn der Warholfilm “Mario Banana No.1“, der in einer Endlosschleife gezeigte wird, heute eher lächerlich als schockierend wirkt, fragt man sich unwillkürlich, ob diese Fragen, angesichts der Darstellungen von Sex und Erotik in Film und Werbung bis hin zur Allgegenwärtigkeit und Verfügbarkeit von Pornografie, heute nicht neu gestellt werden müssten.
Glam! The Performance of Style Ausstellungsansicht
Quelle: Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: N.Miguletz
Die Fülle der Ausstellung, bestehend aus Fotografien, Gemälden, Videos, Installationen, Filmprojektionen, Plakaten, Grafiken, Plattencovern, Kleidungsstücken und Plastiken, beeindruckt. Eine chronologische Abfolge, eine starre Ordnung nach kulturellen Bereichen oder Künstlernamen sucht der Besucher vergeblich. Vage ist die Ausstellung nach Themen und Orten strukturiert. Doch gerade das Ungeordnete, mitunter Verwirrende, scheinbar Ziel- und Richtungslose, entspricht dem Gegenstand der Ausstellung.
Glam! The Performance of Style Ausstellungsansicht
Quelle: Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: N.Miguletz
Der Zeitraum zwischen 1970 bis 1975 stellt einen Moment in der Geschichte dar, in dem ein Stil in alle Bereiche der Kultur vordrang, ob in Mode, Kunst, Film, Fotografie, Grafik oder in die Popmusik. Die rund 200 Exponate der Ausstellung verdeutlichen und illustrieren dieses eindrucksvoll. Noch bis zum 22. September ist “Glam! The Performance of Style“ in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle zu erleben. Öffnungszeiten: Dienstag, Freitag - Sonntag 10-19 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 10-22 Uhr

weitere Informationen: https://www.schirn.de

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