Kultur
Ein Klassiker zur Weihnachtszeit: “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“
Premiere im Staatstheater Kassel
(Quelle: N.Klinger)
GDN -
Mit “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ bringt das Staatstheater Kassel als diesjähriges Weihnachtsmärchen einen Klassiker auf die Bühne. Sabrina Ceesay kann in der Titelrolle ihre Zuschauer ebenso verzaubern, wie einst LibuÅ¡e Å afránková, in dem bekannten Märchenfilm.
“Sabrina - dein Film läuft schon wieder im Fernsehen“, ruft alljährlich, in der Vorweihnachtszeit, die Mutter ihrer schauspielernden Tochter zu. Doch diese hat es sich vermutlich bereits längst auf dem Sofa gemütlich gemacht und schaut mit leuchtenden Augen in Richtung Fernseher. Sabrina Ceesay, die in der aktuellen Produktion am Staatstheater Kassel das Aschenbrödel verkörpert, zählt zu jenen, für die der Film “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ aus der Vorweihnachtszeit wohl ebenso wenig wegzudenken ist, wie das Schmücken des Tannenbaums oder der Duft von frischgebackenen Keksen.
Ein über schneebedeckte Felder galoppierender Schimmel erscheint vermutlich vor dem inneren Auge von Millionen deutscher Fernsehzuschauer, allein beim Erklingen der eingängigen Filmmusik. Gleich zur Eröffnung tönt dann auch die wohlbekannte Melodie durch das, von zahlreichen Schulklassen besetzte, Kasseler Opernhaus. Erfreulich, dass die Musik nicht vom Band kommt, sondern live von drei Musikern, unter der musikalischen Leitung von Thorsten Drücker, präsentiert wird. Den jungen Theatergängern, die vor wenigen Minuten, den Saal lautstark in Beschlag genommen haben, wird somit auch in dieser Hinsicht etwas Wahrhaftiges geboten.
Der Film, an den sich das Theaterstück anlehnt, beruht auf dem gleichnamigen Märchen der tschechischen Schriftstellerin Božena NÄ›mcová. Das in Deutschland, durch die Gebrüder Grimm bekannte Aschenputtelmotiv, wird in dieser Version ein wenig variiert, indem beispielsweise die drei titelgebenden Haselnüsse in die Geschichte integriert werden. Weltweit existieren etwa 400 Varianten des Märchens und in zahlreichen von ihnen tauchen die wunscherfüllenden Haselnüsse auf. Manche der Erzählungen lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Erstaunlich und bemerkenswert, dass eine Geschichte, die die Menschheit seit Urzeiten zu begleiten scheint, bis heute derartig faszinieren kann.
Aschenbrödel muss am Hofe ihres verstorbenen Vaters niedrigste Arbeiten verrichten und hat unter den Demütigungen ihrer herrischen Stiefmutter, gespielt von der wunderbaren Sabine Wackernagel, zu leiden. Doch trotz der Erniedrigungen wirkt Aschenbrödel zu keinem Zeitpunkt mutlos. Im Gegenteil - sie scheint aus den andauernden Kränkungen stark und ungebrochen hervorzugehen. Zudem hat sie viele - menschliche wie tierische - Freunde an ihrer Seite, was sich im Verlauf der folgenden Geschehnisse noch als äußerst vorteilhaft erweisen wird.
Neben zahlreicher Tauben und einem Pferd, zählt auch der Knecht Vincek zu dem Kreis ihrer Gefährten. Als dieser sich auf den Weg in die Stadt macht, lautet Aschenbrödels bescheidener Wunsch: “Bring mir das mit, was dir auf deinem Weg vor die Nase kommt.“ Sie erhält lediglich drei Haselnüsse, doch wie sich herausstellt, besitzen diese magische Kräfte, mit deren Hilfe es Aschenbrödel gelingt, sich dem jungen Prinzen als geschickte Jägerin zu präsentieren. Der begehrte Königssohn ist sogleich beeindruckt von der jungen, frechen und gewitzten Frau und die Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf.
Diese Variante des bekannten Märchens, lässt Aschenbrödel lebendiger und tatkräftiger erscheinen, als beispielsweise die Version der Gebrüder Grimm. Zu keinem Zeitpunkt lässt sie sich durch die Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren, in die Knie zwingen. Mit Gewitztheit, Frechheit und selbstverständlich den drei Zaubernüssen, nimmt sie ihr Schicksal in die Hand und verfolgte entschlossen ihre Ziele. Das entspricht durchaus der Autorin, denn Božena NÄ›mcová (1820-1862) galt als sozialkritische und freigeistige Persönlichkeit, die als Frau, zu einem Zeitpunkt, als dieses noch weitestgehend unüblich war, stets um ein eigenständiges Leben bemüht war.
Als gleich zu Beginn des Stückes, innerhalb weniger Sekunden, aus der leeren, weißen Bühne, mithilfe einiger Requisiten und Statisten, ein lebhafter Gutshof entsteht, hört man zum ersten Mal ein leises, staunendes “ohhh“ aus dem Zuschauerraum raunen. Im Verlaufe der Aufführung werden noch einige, derartige Äußerungen folgen, insbesondere wenn durch einfache, aber dennoch wirkungsvolle Einfälle, die nötigen Ortswechsel dargestellt werden. Manche werden auch mithilfe großformatiger Filmprojektionen veranschaulicht, die zwar einerseits den Sehgewohnheiten der Zuschauer entsprechen und zudem für Abwechslung sorgen, jedoch auch das “Live-Erlebnis“ ein wenig relativieren.
Aljoscha Langel erntet in seiner Doppelrolle als Vincek und quirliger Erzähler, der durch die Geschichte führt, die meisten Lacher und erhält zurecht großen Applaus. Sabrina Ceesay ist in der Rolle des Aschenbrödels schlicht hinreißend. Auch wenn die Verkörperung dieser Figur zunächst große Freude bei ihr ausgelöst habe, gesteht sie nach der Vorstellung auch, dass der Respekt vor der Rolle groß gewesen sei. Schließlich sei die Vorlage “ein Kultfilm und die Erwartungen der Zuschauer sehr hoch.“ Doch Sabrina Ceesay konnte all die Erwartungen erfüllen und steht ihrem filmischen Vorbild in Nichts nach.
Als Aschenbrödel am Ende des Stückes den Prinzen küsst, hallt spontaner Applaus durch das Opernhaus - ein untrügliches Zeichen dafür, dass die jungen Zuschauer von der Geschichte berührt waren und als mit dem Ruf: “Hurra - wir feiern Hochzeit“, das Stück sein Ende findet, ertönen lautstarke “Zugabe“-Rufe aus dem Publikum. “Das sind die Zuschauer von Morgen und wenn wir die nicht begeistern, wer kommt dann in ein paar Jahren ins Theater?“, fragt Sabrina Ceesay im Anschluss an die Vorstellung und unterstreicht damit den Stellenwert solcher Aufführungen. Schön, dass man in Kassel auch die jungen Zuschauer ernst nimmt!
weitere Informationen: https://www.staatstheater-kassel.de
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.