Kultur

Sabrina Ceesay erhält den VolksBühne-Preis 2014

“Ich will Menschen berühren“


(Quelle: Steffi Henn)
GDN - Die am Staatstheater-Kassel engagierte Schauspielerin Sabrina Ceesay erhält den diesjährigen VolksBühne-Preis. Zu diesem Anlass habe ich mich mit ihr getroffen, um mit ihr über ihren Weg zur Schauspielerei, ihre bisherigen Rollen in Kassel, ihre Träume und vieles mehr zu sprechen.
Ich habe Sabrina Ceesay die Wahl des Ortes, an dem unser Interview stattfinden soll, überlassen. Sie hat sich für den Weinberg in Kassel entschieden. Eine gute Wahl, wie sich herausstellen sollte, denn an einem herrlich sonnigen Frühlingstag, trafen wir uns in der, auf einer Anhöhe am Südwestrand des Kasseler Stadtzentrums gelegenen, Grünanlage. Abgesehen von der landschaftlichen Attraktivität und der imposanten Aussicht, hat der Weinberg für die junge Schauspielerin aber auch eine persönliche Bedeutung. “Der Weinberg war meine erste Begegnung mit Kassel. Ich war hier zum Vorsprechen eingeladen und als ich auf den Weinberg zugefahren bin, hat der mich sehr beeindruckt. Obwohl es damals Winter war, dachte ich: Das ist eine schöne Stadt.“
“Den Zuschauern ist die Hautfarbe egal.“
Quelle: Steffi Henn
Seit dem Sommer 2012 lebt Sabrina Ceesay in Kassel, wo sie am Staatstheater zunächst einen Gastvertrag erhielt. “Ich hatte mich an vielen Theatern beworben. Für mich ist das aber wegen meiner Hautfarbe immer noch schwierig. An vielen Bühnen habe ich keine Chance. Viele Theaterleute haben da immer noch Angst. Ich denke sie fürchten, dass meine Rolle, aufgrund meiner Hautfarbe, eine ganz neue Bedeutung erhalten könnte. In Kassel besetzt man mich als Gretchen im “Urfaust“ oder als Anne Frank. Das ist nicht selbstverständlich. Ich habe aber hier in Kassel gemerkt, dass die Zuschauer überhaupt kein Problem damit haben. Das stört niemanden.“
Geboren wurde Frau Ceesay 1988 in Münster, wo sie auch 2007 ihr Abitur gemacht hat. Ich frage sie, wann der Wunsch entstanden ist, Schauspielerin zu werden. “Der Wunsch kam relativ spät. Erst in der Pubertät, als ich viele amerikanische Serien geschaut habe, kam der Gedanke, dass es toll wäre, bei so etwas mitzuspielen. An Theater habe ich damals noch gar nicht gedacht. Nach dem Abitur war ich dann eher orientierungslos.“ Lachend erinnert sie sich, wie damals ihre Großmutter häufig Zeitungsannoncen ausgeschnitten und ihr beiläufig hingelegt hat. “Ich habe dann immer gesagt: Danke Oma - das ist so lieb von dir, aber ich weiß gar nicht, ob ich Sozialversicherungsfachangestellte werden möchte. Ich glaube das ist nichts für mich.“
Nach dem Abitur ist Sabrina Ceesay für ein Jahr als Au-pair in die USA gegangen, wo sich der Schauspielwunsch, unter anderem durch Besuche in der Filmacademy in New York, weiter verfestigt hat. “Als ich wieder nach Hause kam, war ich mir sicher, dass ich Film und Fernsehen machen will.“ 2009 begann sie an der "International Network of Actors-Theaterakademie“ in Berlin ihr Studium. “Ich habe erst nach einem Jahr dort gemerkt, dass Theater auch etwas für mich sein könnte. Das hätte ich vorher nie gedacht, weil mir Theater, bis zu dem Zeitpunkt, gar nicht so sehr gefallen hat.“
Im Rahmen ihres Gastspielvertrages in Kassel verkörperte Sabrina Ceesay in Arthur Millers “Hexenjagd“ die Rolle der Tituba. Schon während der Proben wurde Regisseur Dieter Klinge auf die junge Frau aufmerksam und besetzte sie als Anne Frank, in einem Einpersonenstück, das vom Publikum, wie auch von Kritikern, begeistert aufgenommen wurde und noch immer auf dem Spielplan des Staatstheater-Kassel steht. Aus dem anfänglichen Gastspielvertrag ist mittlerweile ein Festvertrag geworden. Neben einigen kleineren Rollen spielte Sabrina Ceesay die Titelrolle in “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und ab Juni 2014 wird sie als Gretchen im “Urfaust“ zu erleben sein.
Offenkundig ist die junge Schauspielerin gleich bei ihrer ersten Station, nach erfolgter Ausbildung, sehr gut aufgenommen worden. Ich frage sie, ob sie die Wertschätzung, sowohl des Publikums, als auch des Theaters, spüre. “Ja - sehr. Vom Staatstheater selbst ohnehin. Die Kollegen und die Leitung haben mich unheimlich unterstützt und mir, vor allem wegen meiner Rolle als Anne Frank, gratuliert. Aber auch von Zuschauern habe ich ganz viele Briefe, Karten und Mails bekommen. Ich werde auch manchmal in der Stadt angesprochen. Im Supermarkt hat mich einmal ein Jugendlicher angesprochen: `Hey, hast du nicht die Anne Frank gespielt? Ich war mit meiner Klasse bei einer Vorstellung und fand das total cool.` Das hat mich unheimlich gefreut.“
Gerade Jugendliche seien enorm schwer zu erreichen, wie Frau Ceesay bei einigen Vorstellungen zu spüren bekommen hat. “Ich habe viele Vorstellungen vor Schulklassen gehabt. Das war manchmal echt nicht einfach, weil die über gewisse Themen lachen, verunsichert sind oder auch Theater einfach nicht gewohnt sind. Ich hatte da Jugendliche sitzen, die sich unterhalten und Chips gegessen haben, als ob sie im Kino säßen. Die haben gedacht, da ist eine Leinwand und haben gar nicht gemerkt, dass da gerade ein realer Mensch vor ihnen steht.“
“Theater soll aufwühlen!“
Quelle: Steffi Henn
Aber oft habe sie auch gespürt, dass es ihr gelungen sei, Menschen zu bewegen. “Bei der Premiere hat mich eine ältere Dame umarmt. Alle dachten, das sei meine Mutter, aber ich kannte die Frau überhaupt nicht. Das ist schon toll, wenn man merkt, dass man so berührt, denn darum geht es ja in dem Beruf. Wir wollen Menschen berühren. Theater soll aufwühlen. Ich finde es total schlimm, wenn man nach einem Theaterabend nichts empfindet. Dabei ist es im Grunde egal, was man empfindet. Das kann auch mal Wut sein.“
Wie sehr es Sabrina Ceesay bereits in der vergleichsweise kurzen Zeit, in der sie auf der Bühne in Kassel steht, gelungen ist, die Menschen zu berühren, zeigt sich auch in der Verleihung des diesjährigen VolksBühne-Preises. Jürgen Fechner, der 1.Vorsitzende der VolksBühne Kassel, zeigte sich äußerst zufrieden mit der Vergabe des Publikumspreises, denn gerade im Einpersonenstück "Anne Frank", habe Sabrina Ceesay gezeigt, wie die Person der Anne Frank mit der Schauspielerin Ceesay verschmelze, weshalb die Zuschauer das Gefühl hätten, gerade das Leben von Anne Frank zu erleben.
Sabrina Ceesay erinnert sich: “Ich war gerade in Köln, bei einem Fototermin, als ich den Anruf erhielt. Als Herr Fechner mir sagte, dass ich den VolksBühne-Preis gewonnen habe, da war die Freude unheimlich groß. Ich hatte niemals damit gerechnet. So eine Anerkennung als Anfängerin, mit dem ersten Soloprojekt, gleich nach der Schule “¦ das ist schon Bauchpinselei. Obwohl es schon eine ganze Weile her ist, seit ich davon erfahren habe, freue ich mich immer noch und bin total dankbar.“
Sabrina Ceesays Karriere scheint bislang weitestgehend reibungslos verlaufen zu sein. Ich frage sie, ob auf der Bühne auch schon einmal etwas schief gelaufen sei. Neben einem kurzen Texthänger bei einer “Anne Frank“-Vorstellung, erinnert sie sich an eine kuriose Eröffnungsszene: “Bei `Hexenjagd` stehen wir am Anfang, ein bisschen in Nebel gehüllt, ganz regungslos auf der Bühne. Bei einer Vorstellung hat wohl jemand etwas zu viel Nebel erzeugt und ich hörte plötzlich wie ganz leise der Feueralarm anging. Kurz danach begannen im Treppenhaus die Saugmotoren zu brummen und immer, wenn eine Tür einen Spalt aufging, entstand auf der Bühne eine enorme Sogwirkung.“
Doch die weiteren Entwicklungen sollte noch interessanter werden. “Wir standen nach wie vor regungslos auf der Bühne und mir wurde klar, dass es jetzt spannend werden könnte “¦ vor allem als ich Sirenen gehört habe und ahnte, dass jetzt auch noch die Feuerwehr im Anmarsch war. Kurz danach betrat dann tatsächlich ein Feuerwehrmann, mit einem beherzten “Moin“ auf den Lippen, den Saal und stampfte durch die Zuschauerreihen. Und wir standen die ganze Zeit da und durften uns nicht bewegen. Das Ganze hat etwa zehn Minuten gedauert und dann haben wir angefangen zu spielen, als sei nichts passiert, “¦ obwohl wir da, ehrlich gesagt, alle mächtig unter Strom standen.“
“Ich möchte mal als Fiesling besetzt werden.“
Quelle: Steffi Henn
Mich interessiert, inwiefern die Tatsache, dass sie eine äußerst attraktive Frau ist, ihrer Ansicht nach, eine Rolle in ihrem Beruf spielt. “Ich glaube, dass es Vor- und Nachteile hat. Natürlich ist es ein Vorteil, gar keine Frage. Es erleichtert manches, weil ich bestimmte positive Emotionen hervorrufe. Der Nachteil ist aber auch, dass ich immer für entsprechende Rollen besetzt werde. Ich könnte bestimmt auch jemanden spielen der hässlich, alt, fies oder unerotisch ist, aber mein Äußeres hindert mich schon bei der Besetzung daran. Das wäre aber mal eine Herausforderung, die ich mir wünschen würde.“
Ich spreche mit der Schauspielerin darüber, wie sie sich an ihre Rollen annähert. “Bei Anne Frank habe ich wahnsinnig viel recherchiert. Das Tagebuch habe ich natürlich gelesen, aber auch weitere Literatur. In Ihrem Tagebuch hat Anne Frank geschrieben, welche Bilder in ihrem Zimmer hingen und welche Film- und Fernsehstars sie mochte. Ich habe mir diese Filme angeschaut. Ich habe versucht, mir ihr Leben vorzustellen. Womit hat sie sich auseinandergesetzt? Was hat sie gehört? Was hat sie gesehen?“
Im Internet habe sie sogar eine Filmaufnahme von ihr gefunden. “Da schwenkte die Kamera an einem Hochhaus hinauf und da konnte man tatsächlich Anne Frank in einem Fenster sehen. Sie hat rausgeschaut, ihren Kopf ganz schnell reingedreht und dann wieder rausgeschaut. Das war nur eine ganz kurze Szene, aber da konnte ich schon einige Dinge sehen: diese schnellen Bewegungen, diese Zackigkeit, diese Wachheit.“
Ich erkundige mich, ob sie auch versucht habe, Teile ihrer eigenen Persönlichkeit in der Rolle zu finden: “Absolut! Das hilft mir, die Rolle dreidimensionaler zu gestalten. Ich hab mich natürlich gefragt, wie ich mich gefühlt habe, als ich so alt war. Was war für mich wichtig? Wie war das, als ich verliebt war? Wie habe ich mich benommen? Was hat mich berührt? Wie habe ich mich gefühlt? Das war eine kleine Reise in die Vergangenheit. Wir sind schließlich beide einmal Teenager gewesen. Das verbindet uns und da gibt es ganz viele Gemeinsamkeiten.“
Abschließend komme ich noch einmal auf das ursprüngliche Interesse an Film und Fernsehen zu sprechen. Nach wie vor schaue sie sehr gerne Filme jeglichen Genres. “Kunstfilme, Komödien, gut gemachte Liebesschnulzen“¦ Ich schaue sogar Splattermovies.“ Als Schauspieler schätze sie besonders Jack Nicholson, der sie in `Einer flog über das Kuckucksnest` tief beeindrucke und Meryl Streep. “Die ist eine tolle Frau. Sie hat schon so lange Bestand und überzeugt einfach immer wieder durch Qualität.“
Quelle: Steffi Henn
Eines Tages in einem Film mitzuspielen, würde Sabrina Ceesay nach wie vor reizen. Genau wie beim Theater sei es dann aber wichtig, dass es ein Film sei, der berühre. “Es muss schon um einen echten Inhalt, um eine Geschichte, gehen und nicht nur darum, mal eben schnell Geld damit zu verdienen.“ In der aktuellen, und auch kommenden Spielzeit, wird Sabrina Ceesay weiterhin das Theaterpublikum in Kassel berühren und wie sehr dieses das zu schätzen weiß, hat es durch die Wahl des VolksBühne-Preises deutlich zum Ausdruck gebracht.
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