Kultur

David Bowie-Ausstellung in Berlin

Spektakuläre und multimediale Schau


(Quelle: Mario Graß)
(Quelle: Duffy Archive & The David Bowie Archive)
GDN - Die weltweit erste Retrospektive der Pop- und Stilikone David Bowie ist ab sofort im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. Bis zum 10.August gastiert die spektakuläre, multimedial inszenierte Ausstellung des Victoria and Albert Museum (London) an der Spree.
“Where are we now?“
“How to get the train from Potsdamer Platz“, singt Bowie in “Where are we now“, jenem wehmütigen Song, der im vergangenen Jahr völlig überraschend zu seinem 66. Geburtstag erschien und der sich mit Bowies Berlinzeit in den 1970er Jahren auseinandersetzt. David Bowie und Berlin - das gehört zusammen und somit wäre es ein Jammer, wenn die große David Bowie-Retrospektive, die weltweit, in ausgewählten Städten präsentiert wird, nicht auch in Berlin zu sehen wäre.
M.Roth, G.Marsh und V.Broackes
Quelle: M.Graß
Ihren Ursprung hat die Ausstellung in London. Dort wurde den Kuratoren Victoria Broackes und Geoffrey Marsh, erstmals Zugang zum bisher verschlossenen David Bowie Archiv gewährt. Sie wählten etwa 300 Objekte, darunter handschriftliche Songtexte, Kostüme, Fotos, Videos, Instrumente, Plakate, persönliche Sammlerstücke und Briefe, aus, die zunächst im Victoria and Albert Museum, dem weltweit größten Museum für Kunst und Design, und nun auch in Berlin zu sehen sind. Die Exponate belegen in der Gesamtschau eindrucksvoll die visionäre Kraft des Ausnahmekünstlers David Bowie, der sich im Verlaufe seiner jahrzehntelangen Karriere immer wieder neu zu inszenieren wusste und dabei Grenzen zwischen Genres, Stilen und Geschlechtern einriss.
Originaler Songtext für Ziggy Stardust von D.Bowie
Quelle: Victoria and Albert Museum
Persönliche Erinnerungsstücke
Quelle: M.Graß
Bühnenmodell für die Diamond Dogs Tour, 1974
Quelle: Victoria and Albert Museum
“A new career in a new town“
Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, stellte heraus, dass man die Londoner Show “nicht eins zu eins adaptiert“ habe, sondern dem Umstand, dass David Bowie mit Berlin eine besondere Geschichte verbindet, Rechnung getragen habe. Von 1976 bis 1978 lebte Bowie in der Mauerstadt und ließ sich hier zu drei Alben (Low, Lodger und Heroes) inspirieren, die teilweise lediglich einen Steinwurf vom Martin-Gropius-Bau entfernt, in den Hansa-Studios, aufgenommen wurden. Ausgelaugt von den Anstrengungen seiner Tourneen, wie seines überbordenden Drogenkonsums, suchte Bowie einen Ort, um sich zurückzuziehen. Er entschied sich für Berlin, wo er anonymer und weniger aufgeregt leben konnte, als in seiner damaligen Heimat Los Angeles.
Doch Berlin interessierte ihn auch in künstlerischer Hinsicht. Deutscher Expressionismus, die Ästhetik der Weimarer Zeit, die einzigartige historische und politische Situation der Nachkriegszeit, faszinierten ihn. Bowie: “Seit meiner Zeit als Teenager war ich von diesen angstbeherrschten, emotionalen Werken der Expressionisten, sowohl der Maler als auch der Filmemacher, ganz fasziniert, und Berlin war ihre geistige Heimat. Diese Stadt war der entscheidende Ort der Brücke-Bewegung, hier wirkten Max Reinhard und Brecht, entstanden Metropolis und Caligari. Das war eine Kunstform, die das Leben nicht in Ereignissen, sondern in Stimmungen wiederspiegelte, und ich hatte das Gefühl, dass sich meine Arbeit in eine solche Richtung entwickeln würde.“
Somit wurde Berlin für Bowie zur Inspirationsquelle und zum idealen Ort seines kommenden Karriereschritts. Der Autor Hugo Wilcken analysiert: “Berlin war eine Insel, abgeschnitten von der Welt, doch groß genug, sich in dieser Stadt auch verlieren zu können. Jede Schicht des Mythos von Berlin schien einen Aspekt Bowies widerzuspiegeln - die Künstler des Expressionismus, die Cabaret-Dekadenz, der Nazi-Größenwahn, die verheerenden Zerstörungen, die Isolation hinter der Mauer, die Bedrückung des Kalten Krieges, die Geister, die nie weichen.“
“Heroes“
Zu “Heroes“, einem von Bowies größten und bekanntesten Songs, bei dem die Frage im Zentrum steht, ob das Individuum seine Zukunft beliebig gestalten kann oder ob es sich von Obrigkeiten, welcher Art auch immer, fremdbestimmen lässt, ließ er sich durch den Anblick eines sich küssendes Pärchens an der Berliner Mauer inspirieren, womit das Lied untrennbar mit der Stadt Berlin verwoben ist. “We can be Heroes for ever and ever.“
Um Bowies Beziehung zur deutschen Hauptstadt näher zu beleuchten, wurde der ohnehin bereits bestehenden “Berlin-Raum“ der Ausstellung, eigens für den Standort Berlin, um 60 Objekte erweitert. Zu sehen sind beispielsweise Gemälde von Erich Heckel, als Leihgaben des Brücke-Museums, das Bowie oft besucht hat. Diese Gemälde haben ihn ungeheuer beeindruckt und ihn auch zu seiner Covergestaltung von “Heroes“ inspiriert. In Berlin widmete sich Bowie, sicherlich ebenso durch die vielen Museumsbesuche beeinflusst, verstärkt seiner Mal- und Zeichenleidenschaft. Einige seiner Bilder und Skizzen sind ebenfalls ausgestellt.
Roquairol, 1917, Courtesy: Brücke-Museum, Berlin
Quelle: Erich Heckel
“Heroes“ Contact Print (Piece No. 32), 1977
Quelle: Masayoshi Sukita / The David Bowie Archive
Druck eines Selbstportraits von David Bowie, 1978
Quelle: Victoria and Albert Museum
David Bowie: Ästhet und Individualist
Quelle: M.Graß
Die in diesem Teil der Ausstellung zu entdeckenden Zusammenhänge zwischen ästhetischem Interesse und Inspirationen, die schließlich, nach einer Phase des Erprobens und Experimentierens, zu neuen Wegen in Bowies Karriere geführt haben und sich letztlich in seiner Musik und Selbstinszenierung wiederfinden, zählen sicherlich zu den Highlights der gesamten Show.
“Fashion“
Im Zentrum der Ausstellung steht die Vielseitigkeit von David Bowies Werk sowie das Wechselspiel zwischen verschiedenen Ausdrucksformen - etwa Film, Malerei, Mode, Musik oder Design - derer er sich bedient hat. Insgesamt sind 60 Bühnenkostüme zu sehen, darunter die Ziggy Stardust Overalls, die extravaganten Entwürfe der Aladdin Sane Tour oder der fantastische Union-Jack-Mantel, den Bowie gemeinsam mit Alexander McQueen für das Plattencover von Earthling (1997) entworfen hat. Aus Bowies persönlichem Besitz sind unveröffentlichte Storyboards, handschriftliche Set-Listen und Songtexte, Wortcollagen sowie Zeichnungen, Noten und Tagebucheinträge ausgestellt.
Quelle: M.Graß
Quelle: M.Graß
Quelle: M.Graß
“Sound & Vision“
Entsprechend des radikalen Individualismus von David Bowie, habe man sich bemüht auch eine “revolutionäre Ausstellung“ (Martin Roth, Direktor des Victoria and Albert Museum) zu entwickeln. Die Kuratorin Victoria Broackes berichtete in diesem Zusammenhang, dass sie bei der Entwicklung der Retrospektive drei Ziele verfolgt habe. Erstens solle die Ausstellung schlicht anders werden, als alles, was es zuvor im Victoria and Albert Museum zu sehen gegeben habe. Zweitens solle Bowies Kreativität, sein Pioniergeist und sein theatralischer Spirit für das Ausstellungskonzept genutzt werden und drittens solle das Zusammenspiel von Musik und Performance erlebbar gemacht werden, wofür völlig neue Wege der Präsentation gefunden werden mussten.
David Bowie - der Visionär
Quelle: M.Graß
Insbesondere die Umsetzung des letztgenannten Anspruchs ist eindrucksvoll gelungen. Dank einer ausgeklügelten Technik, wird es den Besuchern ermöglicht, die Ausstellung dem eigenen Rhythmus entsprechend, zu erkunden. “Der Besucher ist der Regisseur.“ (Thomas Oberender) Im Eintrittspreis ist ein Audioguide enthalten, der zwingend genutzt werden sollte, denn andernfalls entgeht einem ein wesentlicher Reiz der Ausstellung. Wo immer man sich gerade innerhalb der Ausstellungsräume befindet, stets erklingt zur rechten Zeit der passende Song oder Interviewauszug. Visuelles und Klangeindrücke verschmelzen somit zu einem Gesamteindruck.
Quelle: M.Graß
Quelle: M.Graß
Quelle: M.Graß
In dem wohl aufsehenerregendsten Raum der Ausstellung werden Kostüme, die Bowie bei Liveauftritten getragen hat, spektakulär in Szene gesetzt. Gleichzeitig bekommt der Besucher großformatiges Videomaterial von Performances des Künstlers, aus verschiedenen Phasen seiner Karriere, zu sehen und wird, dank zahlreicher versteckter Lautsprecherboxen, dabei von bemerkenswert räumlich wirkender Musik umhüllt. Ein sensorisches Erlebnis, wie man es so in einem Museum wohl noch nicht erlebt hat. “I will sit right down. Waiting for the gift of sound and vision.“
Quelle: M.Graß
Quelle: M.Graß
Quelle: M.Graß
“Watch that man“
Es dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass dieses multimediale, audio-visuelle Erlebnis zu einem Besuchermagnet werden wird und sich in den nächsten Wochen lange Schlangen vor dem Eingang des Walter-Gropius-Baus bilden werden. Bereits bei der Pressevorbesichtigung am Montag schaute man in viele, strahlende Gesichter. Martin Roth erinnert sich, dass er, wenn ihm die Bürodecke auf den Kopf zu fallen drohte, sich gerne unter die Ausstellungsbesucher gemischt hat und diese sich oftmals singend durch die Räumlichkeiten des altehrwürdigen Victoria and Albert Museums in London bewegt hätten. “Die hatten wegen der Kopfhörer keine Kontrolle über die Lautstärke ihres Mitsingens.“
Werbefotografie für The Kon-rads, 1963
Quelle: Victoria and Albert Museum
Aufnahme von für das Albumcover von Aladdin Sane
Quelle: Duffy Archive & The David Bowie Archive
Filmarbeiten zum Musikvideo Ashes to Ashes, 1980
Quelle: Duffy Archive & The David Bowie Archive
Quelle: M.Graß
Der hohe technische Standard der Ausstellung bleibt kein Selbstzweck. Er ermöglicht eine angemessene und zeitgemäße Präsentation eines Visionärs, der wegweisend im Bereich von Musik, Fashion, Stagedesign und dem Zusammenspiel verschiedenster Kunstformen war und der, wie die enorme Bandbreite der präsentierten Zeichnungen oder Storyboards belegt, ungeheuer tief an dem Entstehungsprozess, nicht nur seiner Musik, sondern auch seiner Gesamtperformance beteiligt war und immer noch ist.
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