Kultur
“Macbeth“ (William Shakespeare) im Staatstheater Kassel
“Wann sehen wir drei uns wieder?...“
(Quelle: N.Klinger)
GDN -
Mit “Macbeth“ feierte am Freitag eine der bekanntesten und düstersten Shakespearetragödien Premiere in Kassel. Eine beeindruckende Inszenierung, angereichert mit viel Blut und Lichteffekten sowie einem bravourös aufspielendem Ensemble, erntete lautstarken Applaus im ausverkauften Schauspielhaus.
Ein Dudelsackspieler in landestypischer Tracht heißt die Premierenbesucher vor dem Gebäude des Kasseler Schauspielhauses willkommen und stimmt auf das Schottland vergangener Tage ein. Doch als sich der Bühnenvorhang hebt ertönen moderne Dance Grooves aus den Lautsprechern und die Hexen der legendären Eröffnungsszene treten nicht in mittelalterliche Gewänder gehüllt auf, sondern scheinen eher einem Cyberpunk-Roman, als einem Shakespearedrama entsprungen zu sein. Sogleich wird deutlich: Der heutige Abend hält einige Überraschungen bereit.
Anfang des 17.Jahrhunderts hat William Shakespeare “Macbeth“ verfasst und beschreibt in diesem finsteren Werk den Aufstieg des Heerführers Macbeth zum König von Schottland, dessen Wandel zum Tyrannen und endgültigen Fall. Ein Thema, das wahrlich nicht ausschließlich auf vergangene Jahrhunderte festgelegt ist und entsprechend verpflanzt die Kasseler Inszenierung die Handlung zeitlich ins Unbestimmte. Die Kostüme der Protagonisten wirken eher gegenwärtig, die der Hexen hingegen wie aus der Zeit gefallen.
Die Hexen bringen mit ihren Verheißungen die Handlung in Gang. Sie üben Macht über die Figuren aus, verführen sie zu Taten, doch was sie Macbeth einflüstern sind Wünsche, die bereits in ihm wohnen. Für andere Protagonisten gilt ähnliches. “Kein Strahl fall auf meinen schwarzen, tiefen Wunsch!“ Kennen wir nicht alle Wünsche von denen wir hoffen, dass niemand sie bemerken und erkennen wird? Wiederkehrend tauchen sie schlagartig auf - in beängstigenden Massenbewegungen, in Schlagzeilen der Tagespresse, in Erzählungen hinter vorgehaltener Hand, aber ebenso auch in halbbewussten, persönlichen Träumereien.
Ein Kerngedanke der Inszenierung ist es, die Hexenfiguren an ihre angemessene Position und damit in das Zentrum des Geschehens, zu rücken. Sie eröffnen das Stück, werden es beschließen und während der etwa zwei Stunden Spielzeit die Bühne kaum verlassen. Sie treiben ihren gespenstisch-makaberen Spaß mit den Menschen, lassen deren Triebe entfachen und stacheln sie zu gänzlich unvernünftigen Handlungen an, deren Kettenreaktionen sich als unaufhaltsam erweisen und denen die Handelnden schließlich selbst zum Opfer fallen werden. Die Hexen wüten in Macbeth und in Lady Macbeth. Sie hausen in deren Opfer Banquo und in uns. Sie sind allgegenwärtig.
Den Zuschauern wird die Inszenierung von Markus Dietz, der bereits mit Produktionen wie “Woyzeck“ von Georg Büchner oder “Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn in Kassel für Begeisterung gesorgt hat und ab der kommenden Spielzeit die Stelle des Oberspielleiters übernehmen wird, sicherlich wegen ihrer starken Bilder in Erinnerung bleiben. Die aufwendige Beleuchtung erzeugt mehrfach eindrucksvolle visuelle Eindrücke und Stimmungen. Bewegliche Lichtrampen variieren ihre Funktionen und sorgen für wechselnde Raumeindrücke. Mayke Hegger, die auch vor vier Jahren das grandiose Bühnenbild zu “Woyzeck“ entwickelt hat, hat hier beeindruckende Arbeit geleistet.
All das wird für manchen Zuschauer womöglich auch zu viel des Guten sein und zu sehr von der zur erzählenden Geschichte und ihren Charakteren wegführen. Darüber hinaus fließt reichlich Blut, das ausgiebig über den Bühnenboden ergossen wird. “Die Härte, die unsere Aufführung bestimmt hat, ist die Härte des Stückes“, erörtert Regisseur Markus Dietz. Wobei in überlieferten Requisitenlisten aus damaliger Zeit, die Verwendung von mehreren Flaschen Ochsenblut sowie Tiereingeweiden bei den Aufführungen verzeichnet seien. Da erscheint die Verwendung von Rote Beete Saft in Kassel vergleichsweise doch harmlos.
Bei der spektakulär inszenierten Ermordung Banquos ist die gesamte Bühne in blutrotes Licht getaucht. Hexen feiern eben auf ihre eigene Weise. Eine Feier ganz anderer Art findet gleich darauf statt. In einer der schönsten Szenen des Abends feiert Macbeth, im Rahmen eines Banketts, seine Krönung. Doch als unerwarteter, wie auch ungebetener Gast, taucht der soeben gemeuchelte und ausschließlich von Macbeth wahrzunehmende Banquo - glänzend gespielt von Thomas Meczele, der der Figur zahlreiche Facetten zu verleihen versteht - auf. In dieser Szene kommt mit dem überwiegend bravourös aufspielenden Ensemble eine weitere Stärke der Produktion zur Geltung.
Bernd Hölscher (Macbeth) beim Durchwandeln seiner schlaflosen Nächte und zunehmenden Kontrollverlust über die Geschehnisse, wie auch über seinen Verstand, zuzuschauen, ist eindrucksvoll. Insbesondere Anke Stedingk, geradezu eine Idealbesetzung als Lady Macbeth, kann mit ihrer Darstellung begeistern. Schonungslos scheint sie förmlich Alles in ihre kraftvolle Performance zu legen: ihren Körper, ihr Herz, die Modulation ihrer Stimme, aber auch feine Nuancen in Mimik und Gestik.
Faszinierend ist auch die bereits erörterte Darstellung der drei Hexen durch Eva Maria Sommersberg, Alina Rank und Christoph Förster. An deren gelungener Performance hat, neben Henrike Bromber, die für die Kostüme verantwortlich zeichnet, sicherlich auch Lillian Stillwell, bis 2012 Tänzerin am Staatstheater Kassel, als verantwortliche Choreografin einen beträchtlichen Anteil. Den Verführerinnen bleibt, der Logik der Inszenierung entsprechend, auch das Schlusswort. Die unübliche Position als Epilog statt als Eröffnungsszene, wie es von Shakespeare ursprünglich erdacht war, macht deutlich, dass ihr Treiben noch lange nicht beendet ist: “Wann sehen wir drei uns wieder? “¦“
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