Kultur
“1914-1918 - Der Erste Weltkrieg“
Ausstellung im Berlin
(Quelle: Stiftung Deutsches Historisches Museum)
GDN -
Zum Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, präsentiert das Deutsche Historische Museum in Berlin vom 29. Mai bis zum 30. November 2014, unter dem Titel “1914-1918. Der Erste Weltkrieg“, eine Ausstellung, welche die Dimension des Kriegsgeschehens verdeutlichen soll.
Die aktuelle Ausstellung im Deutschen Historische Museum in Berlin beansprucht einen Gesamtüberblick über den Ersten Weltkrieg zu ermöglichen. Auf mehr als 1000 Quadratmetern sind rund 500 Exponate ausgestellt, darunter zahlreiche internationale Leihgaben, welche die “Urkatastrophe“ zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Einige der Objekte beeindrucken, manche lassen einen erschaudern. Was der Ausstellung fehlt, ist der rote Faden, der die einzelnen Abschnitte im Kopf der Besucher zusammenfügt.
Eine Gesamtschau über Ursachen, Verlauf und Folgen des Ersten Weltkrieges zusammenzustellen, ist ein gewaltiges Projekt. Die Kuratoren haben sich entschieden anhand vierzehn markanter Orte, wie Verdun, Tannenberg, Berlin, Petrograd oder Brüssel, eine Darstellung zu entwerfen. Die gewählten Orte werden dabei jeweils mit übergreifenden Entwicklungen, wie der Modernisierung der Kriegstechnik, der Globalisierung des Krieges, der körperlichen und seelischen Auswirkungen des Erlebten auf die Soldaten oder auch auf die Zivilbevölkerung, verknüpft. Der Abschnitt “Ypern“, der Ort an dem zum ersten Mal Giftgas zum Einsatz kam, wird beispielsweise als Anker genutzt, um die Entwicklung von Giftgasen und -granaten aufzuzeigen.
Der Besucher trifft bei seinem Rundgang auf Einzelschicksale von Soldaten, Zivilisten, Künstlern und Offizieren, die in Form von Tagebucheinträgen, Briefen, Zeichnungen und Gemälden ihre Erlebnisse und den Schrecken an der Front, festgehalten haben. Auch zahlreiche beeindruckende historische Objekte, wie Karl Liebknechts Waffenrock, Ernst Jüngers Stahlhelm, Propagandaplakate, Zeitungstitelseiten, Waffen oder der Friedensvertrag von Brest-Litowsk, geschlossen zwischen Russland und den Mittelmächten, sind zu sehen.
Zweifellos bietet die Ausstellung vielfältige Einblicke in die Geschichte des Ersten Weltkriegs. Doch gerade diese Vielfalt führt auch zu einem Problem. Hat man sich als Besucher eben noch mit der Materialschlacht von Verdun beschäftigt, wird die Aufmerksamkeit sogleich auf die Gräueltaten gelenkt, die den Armeniern zugefügt wurden. In weiteren Abteilungen wird dann auch die russische Revolution, Abtreibungspraktiken in der deutschen Heimat, der Personenkult um Hindenburg und vieles mehr behandelt. Jeder einzelne Themenkomplex ist aufschlussreich und Wert sich damit auseinanderzusetzten. Es fehlt jedoch die übergeordnete Fragestellung.
Naheliegend, wenn auch nicht unbedingt ratsam, wäre es, angesichts des ungeheuren Erfolges von Christopher Clarks Buch "Die Schlafwandler", gewesen, die Kriegsschuldfrage in den Mittelpunkt zu stellen. Weitere Fragen wären denkbar gewesen. Hat sich das politisch-strategische Denken seit den Kriegsschrecken grundlegend verändert? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Ersten Weltkrieg und ideologischen Entwicklungen der folgenden Jahre? Da die Kuratoren übergeordnete Fragestellungen und Thesen jedoch vermieden haben, verlässt der Besucher die Ausstellung mit einem Gewinn an Eindrücken, aber vermutlich ohne neue Erkenntnisse.
Was jedoch jedem Ausstellungsbesucher, angesichts von furchtbaren Schicksalen, zwanzig Millionen Toten, einundzwanzig Millionen Verwundeten, einer unkontrollierten Eskalation, die zum Fall von Tabus sowie einer Globalisierung der Auseinandersetzungen geführt hat, bewusst werden müsste, ist, dass die Idee eines gemeinsamen Europas zu wertvoll ist, als dass man sie durch dumpfe Parolen infrage stellen, oder durch fragwürdige Interessen und strategische Überlegungen aufs Spiel setzen, darf.
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