Kultur

Susanne Pfeffer präsentiert neue Ausstellung im Fridericianum Kassel

Dreifachausstellung bis zum 2.11.2014


Museum Fridericianum in Kassel (Quelle: heldmann-images)
Susanne Pfeffer und Nina Tabassomi
(Quelle: heldmann-images)
GDN - Nach ihrer hochgelobten ersten Ausstellung in der Kasseler Kunsthalle Fridercianum präsentiert deren Künstlerische Leiterin Susanne Pfeffer seit heute eine neue Dreifach-Ausstellung: Helen Martens Parrot Problems, Farhad Fozouni mit Aftershock Poetry und zwei Videoinstallation von Benning/Dammbeck.
Susanne Pfeffer präsentiert Parrot Problems
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Das renommierte Kunstmagazin ART hatte Susanne Pfeffer kürzlich zu seiner “Heldin des Monats“ gekürt. “Dank der Ausstellungen und Symposien tickt die Provinz schneller als die Hauptstadt“ meinte ART mit Blick auf Frau Pfeffers erste Ausstellungen im Fridericianum. "Speculations on Anonymous Materials" und "nature after nature" waren auf große regionale nationale und internationale Resonanz gestoßen. Nur drei Wochen nach dem Ende dieser beiden Ausstellungen zeigt das Fridericianum seit dem 6. September für zwei Monate eine Dreifach-Ausstellung.
Helen Marten - Parrot Problems
Vibrierend zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, sind die Objekte und Bilder der Künstlerin Helen Marten in voller Geschwindigkeit erstarrt. In ihren Arbeiten wuchern Modelle und Motive, welche die physischen wie sprachlichen Grenzen des Alltags definieren. Indem Marten diese gleich einem Puzzle zusammenfügt oder mit einer Tarnung versieht, lässt sie sie zwischen Erkennbarkeit und Unschärfe oszillieren. Bild und Begriff werden so - zugleich heikel wie programmatisch - zueinander in Beziehung gesetzt und entfalten eine eigene Logik. Durch die Nachahmung und Wiederholung allgegenwärtiger Gesten, Ausdrücke und Objekte werden die entstehenden Differenzen zwischen Mimikry und Metapher als Parrot Problems fruchtbargemacht.
Bricolage
Quelle: heldmann-images
Ob sie aus Laub, glasierter Keramik, Aluminiumguss, Münzen oder Holz bestehen, Martens Assemblagen filtern die herkömmlichen Ordnungen der Dinge heraus, um sie neu zu formieren. In Guild of Pharmacists (2014) etwa zeigt die Künstlerin eine schlangenartige Form, die sich von ihrem Äskulapstab und der symbolischen Heimat an der Apothekenfassade herabgewunden hat. Überdimensioniert, abstrakt und bunt lackiert hängt sie träge und sperrig unter einer Markise, die auf ihr Holzgestell reduziert ist. Anstelle eines bunt gestreiften Überzugs trägt diese provisorisch befestigte Stofffetzen. Gleich vergessenen Kleidungsstücken ergeben sie ein Flickwerk aus Spuren menschlichen Gebrauchs. Das Handgemachte, Behelfsmäßige und Zufällige überlagern sich in Martens Bricolage mit dem unverkennbaren Design effizienter und universeller Gebrauchsartikel. An die Unterseite der Markise gehämmert, verweisen zwei FedEx-Boxen auf die unentwegte Zirkulation und Veränderung des Bekannten unter dem Eindruck globaler Warenströme. Doch auch wenn diese Objekte als universelle Bedeutungsträger fungieren, sind sie zugleich auf ihre wesentlichen Bestandteile reduziert: orangener Text auf einem prächtigen lila Quadrat.
Helen Marten - Parrot Problems
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Die wiedererkennbaren Elemente einer urbanen Szenerie zerlegt Marten und setzt sie mittels Manipulation, Abstraktion, Verrückung oder Collage neu zusammen. Auf diese Weise durchbricht sie den Schleier aus Gewohnheit, der sich über die Dichte und Komplexität unseres materiellen Alltags legt. Für Parrot Problems, ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland, die von Susanne Pfeffer kuratiert wird, hat Helen Marten (* 1985) zahlreiche neue Arbeiten geschaffen.
Farhad Fozouni - Aftershock Poetry
Farhad Fozouni schreibt eine Poesie des Nachbebens in Wort, Bild, Skulptur, Licht und Ton. Persische Traditionen der Miniaturmalerei, Kalligraphie und des Kunsthandwerks werden dabei aufgegriffen und aus ihrer Rolle als Trägermedium vorgängiger Bedeutungen befreit. Die Formen, Schriften und Materialien selbst werden bedeutungshaft. Anstatt Weisheit und Wahrheiten zu illustrieren, bringen sie gegenwärtige Gefühlszustände hervor.
Rain-Fear Poetry
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So etwa in der Serie Aftershock Poetry (2009): Digitale Zeichnungen zeigen surreale Apparaturen, die von einer männlichen Figur mit blutroter Flüssigkeit betrieben werden. Textfelder in den einzelnen Elementen der Apparatur künden von deren Brutalität und den Emotionen der männlichen Figur, die in Fußnoten unterhalb der Zeichnungen präzisiert werden. In den Skulpturen der Serie Blades Poetry (2009) verbinden sich persisch-arabische Vokalisationszeichen und architektonisches Formenvokabular auf kleinen Holzblöcken zu scharfkantigen Ornamenten. Mit der Installation Rain-Fear Poetry (2014), die eigens für die Ausstellung entstanden ist, überführt der Künstler Kalligraphie ins Dreidimensionale und lässt die Buchstaben von der Decke regnen.
Farhad Fozouni und Nina Tabassomi
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Fozounis Arbeiten, kuratiert von Nina Tabassomi, sind ein Erzeugungssystem für ambivalente Emotionen und erheben damit poetischen Einspruch gegen den Kapitalismus der Zeichen. Seine Arbeiten verkörpern Momente der Erschütterung, die wir spüren, ohne sie greifen zu können. In der ersten institutionellen Einzelausstellung von Farhad Fozouni (* 1978) bevölkern Gefühlskonglomerate aus Angst, Liebe, Schmerz und Sehnsucht den Turm des Fridericianum.
Benning und Dammbeck - Die Unberechenbarkeit komplexer und offener Systeme
In seinem Film Das Netz - Unabomber, LSD und Internet (2003) geht Lutz Dammbeck den Fundamenten der technologischen Gesellschaft nach. Seine Suche führt den Filmemacher in die 1940er bis 1960er Jahre, hinein in ein disziplinenübergreifendes Geflecht, das von Systemtheorie, Kybernetik und Kognitionswissenschaft über die künstlerische Avantgarde, LSD und Counterculture bis hin zu den militärischen Ursprüngen des Internets reicht. Mit John Brockman, Stewart Brand, Heinz von Foerster, Robert Taylor und David Gelernter interviewt Dammbeck einige der zentralen Protagonisten der technologischen Revolution.
Stemple Pass
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Der Film fördert ein Netzwerk zu Tage, in dem Wissenschaft und Technologie die Rahmenbedingungen für künstlerische Praxis und philosophisches Denken neu definieren. In seiner Auseinandersetzung mit dem Mathematiker und später als “Unabomber“ bekannt gewordenen Theodore John Kaczynski stellt er diese Vorherrschaft von Technologie und Naturwissenschaft radikal in Frage. Für Stemple Pass (2012) rekonstruierte James Benning die Holzhütte, die Kaczynski 1971 in Anlehnung an Henry David Thoreau errichtete, um sich nach der Aufgabe seiner Lehrtätigkeit in die Wälder Montanas zurückzuziehen. Der Film zeigt die Hütte inmitten der dichtbewaldeten Landschaft in vier statischen Einstellungen von je 30 Minuten: Frühling, Herbst, Winter und Sommer. In den ersten 15 Minuten jeder Einstellung liest Benning Auszüge aus Kaczynskis Tagebüchern, seinem Manifest, Notizbüchern sowie einem späteren Interview: Berichte vom Überleben in der Wildnis, Reflexionen über Natur, Autonomie und Einsamkeit sowie kritische Gedanken zum technologischen Wandel, zum Überwachungsstaat und zur Freiheit des Individuums werden konfrontiert mit Zeugnissen über die Brutalität der Gewaltakte, die Kaczynski zwischen 1978 und 1995 aus Rache an der technologischen Gesellschaft verübte und durch welche drei Menschen starben. Die verbleibende Zeit jeder Einstellung ist den Geräuschen der Umgebung gewidmet. Die Ruhe und Konzentration von Bild und Ton schärfen die Sinne für die visuellen und akustischen Rhythmen der Landschaft.
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