Kultur
Italienische Zeichnungen im Städel Museum
Raffael bis Tizian
Entwurf für die ´Disputa´, Raffael (Quelle: Städel Museum - U. Edelmann - ARTOTHEK)
GDN -
Zu den Schätzen des Frankfurter Städel Museums zählt eine Sammlung von Zeichnungen der italienischen Renaissance. Eine repräsentative Auswahl dieser Bestände zeigt die Ausstellung “Raffael bis Tizian. Italienische Zeichnungen aus dem Städel Museum“ vom 8. Oktober 2014 bis 11. Januar 2015.
Die insgesamt rund 90 ausgewählten Zeichnungen geben einen Einblick in die Vielfalt einer Epoche, die mit der Entdeckung Amerikas, den Gegensätzen der Konfessionen und dem Neubeginn in den Naturwissenschaften für Europa so entscheidend war. An den Arbeiten, deren kunsthistorischen Mittelpunkt die Werke der Hochrenaissance des frühen 16. Jahrhunderts bilden, werden die unterschiedlichen künstlerischen Strömungen, Techniken und Funktionen der Zeichnungen, aber auch sammlungsgeschichtliche Zusammenhänge besonders anschaulich - ganz abgesehen vom Erlebnis höchster zeichnerischer Vollendung.
“Zeichnungen gehören zu den kostbarsten Äußerungen künstlerischer Schaffenskraft. Sie bieten den einmaligen Reiz, das Denken und oft sogar den ersten künstlerischen Impuls eines Meisters nacherleben zu können. Die in der Ausstellung vertretenen Meisterwerke geben einen ungemein intimen und aufschlussreichen Einblick in die italienische Hochrenaissance - eine der wichtigsten und bedeutsamsten Epochen der Kunstgeschichte“, so Kurator Dr. Joachim Jacoby über ein Leitmotiv seiner Ausstellung.
Die Präsentation in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung versammelt eine repräsentative Auswahl von italienischen Handzeichnungen aus der Zeit zwischen etwa 1430 und 1600, an denen die unterschiedlichen künstlerischen Strömungen der weltberühmten Epoche, die verschiedenen Techniken und Funktionen der Zeichnungen, aber auch sammlungsgeschichtliche Aspekte besonders anschaulich demonstriert werden.
Die überhaupt selten erhaltenen Zeichnungen des 15. Jahrhunderts bilden den Auftakt der Ausstellung und sind mit rund fünfzehn Beispielen vertreten. Zu sehen sind etwa eine Zeichnung mit vier eleganten gotischen Standfiguren aus dem Kreis von Pisanello (um 1430), die eindringlichen Entwürfe einer Totentrauer des in Venedig lebenden Marco Zoppo (um 1470) sowie die Zeichnung eines nach oben blickenden jungen Mannes (um 1500) aus der Hand eines unbekannten venezianischen Meisters.
Die zweite Abteilung ist den Künstlern der Hochrenaissance gewidmet - einer relativ kurzen Zeitspanne zwischen 1500 und 1525, in der die Kunst Europas eine völlig neue Ausrichtung erhielt und die bereits von Giorgio Vasari in der Mitte des 16. Jahrhunderts als ein “Punkt der höchsten Vollendung“ angesehen wurde, der das Fundament für kommende Generationen bildete.
Maßgeblich geprägt wurde diese Phase von den in der Ausstellung gezeigten Künstlern Fra Bartolommeo und Michelangelo in Florenz, Raffael in Rom, Correggio in Parma und Tizian in Venedig. Hier begegnen dem Besucher ebenso kostbare wie fragile Meisterwerke wie Michelangelos Groteske Köpfe (um 1525), Raffaels Entwurf für die “Disputa“ (um 1508/09), Correggios Sitzender Prophet mit Buch (um 1523) oder Tizians einzigartige Studie für den heiligen Sebastian des Hochaltars in SS Nazaro e Celso in Brescia (um 1519/20).
Der weitere Verlauf bis zum Ende des 16. Jahrhunderts ist in zwei Abschnitte unterteilt: zum einen in Arbeiten aus Mittelitalien, zum anderen in Werke aus dem großen Gebiet zwischen Genua und Venedig im Norden Italiens. Die Zeichnungen der ersten Gruppe sind in chronologischer Abfolge nach den Zentren Florenz und Rom unterschieden und versammeln Arbeiten zur politischen Machtdemonstration und höfischen Repräsentation oder auch Zeichnungen, denen als Planungsinstrument und Demonstrationsobjekt eine zentrale Bedeutung zukam, darunter Blätter von Pontormo, Zuccari oder Poccetti.
Die Anordnung der Zeichnungen aus dem nördlichen Italien folgt einer geografischen Gliederung, von Ligurien im Westen bis ins Veneto im Osten. Die Kunstzentren im Norden Italiens bildeten in der Renaissance keine Einheit. Den politischen Herrschaftsgebieten entsprechend aufgeteilt, brachten sie teilweise eigene Stilformen hervor. In diesem Ausstellungsabschnitt werden unter anderem Venus trauert um Adonis (um 1560) von Luca Cambiaso aus Genua, Die Anbetung der Könige (um 1527/30) des ungemein einflussreichen Künstlers Parmigianino aus Parma oder auch die Studie nach dem Kopf von Michelangelos “Giuliano de“™ Medici“ (um 1545/60?) präsentiert, die der in Venedig lebende Tintoretto anfertigte.
Der Bestand der italienischen Renaissancezeichnungen, dem die Ausstellung gewidmet ist, zählt heute zu den wichtigsten in Europa, und in keiner anderen deutschen Sammlung ist Raffael mit mehr Zeichnungen vertreten. Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog, verfasst von Joachim Jacoby. In den Katalogtexten wird jede Zeichnung ausführlich dokumentiert, eingehend analysiert und mit Blick auf das Å’uvre des betreffenden Künstlers diskutiert.
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