Kultur

Shakespeares “Hamlet“ am Staatstheater Kassel

Regiedebüt von Gralf-Edzard Habben


(Quelle: N.Klinger)
(Quelle: N.Klinger)
GDN - Das Staatstheater Kassel bringt mit Hamlet den Theaterklassiker schlechthin auf die Bühne und konnte mit Gralf-Edzard Habben einen Theaterveteran als Regisseur gewinnen. Trotz des guten Ensembles und einiger interessanter Ideen und Ansätze kann die Produktion jedoch nicht vollauf überzeugen.
K.Strube (Hamlets Vaters Geist) & P.Elter (Hamlet)
Quelle: N.Klinger
Ein leeres Krankenhausbett steht zu Beginn im Zentrum der Bühne. Zwei Krankenpfleger kommen, ziehen die Bettwäsche ab und werfen diese in den dazu vorgesehenen Behälter. In diesem Bett, das rasch für den nächsten Patienten vorbereitet wird, ist offenkundig kürzlich jemand verstorben. Es könnte das einstige Bett von Hamlets Vater gewesen sein, der überraschend verschieden ist und dessen Witwe geradezu übereilt seinen Bruder Claudius, Hamlets Onkel, geheiratet hat. Der Geist seines Vaters erscheint Hamlet, behauptet ermordet worden zu sein und beschwört seinen Sohn Rache zu nehmen. Doch ist diesem Geist, den ausschließlich Hamlet wahrnimmt, zu trauen?
Zwischen 1601 und 1602 hat Shakespeare den Hamlettext, so wie wir ihn heute kennen, fertiggestellt. Nach seinem Erscheinen hat sich die Geschichte um den Dänenprinzen offenbar schnell zu einem erfolgreichen Bühnenstück entwickelt, was sich an der kontinuierlichen Bühnenpräsenz sowie den zahlreichen Druckausgaben zeigt und auch heute noch wird das Thema von Schriftstellern, Künstlern und Filmemachern unaufhörlich bearbeitet.
Ein Grund für dieses immerwährende Interesse ist dabei sicherlich darin zu sehen, dass es sich bei Hamlet zunächst um eine Rachetragödie handelt, wie sie bis zum heutigen Tage funktioniert und auch in aktuellen Kinoproduktionen immer wieder genutzt wird. Doch bei Shakespeares Variation des Themas ergeben sich im Handlungsverlauf schnell Komplikationen, denn Hamlet setzt seinen Racheauftrag nicht zielstrebig um.
Anke Stedingk (Gertrud), Peter Elter (Hamlet)
Quelle: N.Klinger
Doch warum handelt Hamlet nicht? Ist es seine große Sensibilität und Melancholie, die ihn abwarten lässt, erkennt er die tiefe Sinnlosigkeit seiner Absichten oder wird in seinem Zögern der Ausdruck eines Ödipuskomplexes erkennbar? Genau diese Fragen stellt die Kasseler Inszenierung in das Zentrum. Hamlet ist unsicher. Am Hof seines verstorbenen Vaters fühlt er sich nicht mehr heimisch. Er muss seine Position finden. Der Rachegedanke tritt gegenüber der Suche nach Gewissheit zurück. Hamlet spielt den Wahnsinnigen. Doch nicht nur die Figuren auf der Bühne, auch die Zuschauer nehmen die Stimme des verstorbenen Vaters nicht wahr. Ist Hamlet womöglich tatsächlich wahnsinnig und fristet sein Dasein in einer Psychiatrie?
Gralf-Edzard Habben, der seit den 1960er Jahren als Bühnenbildner mit Regisseuren wie Kurt Hübner, Hansgünther Heyme, Claus Peymann und Pina Bausch gearbeitet hat und 1981 das Theater an der Ruhr in Mühlheim mitgegründet hat, konnte für die Kasseler Inszenierung gewonnen werden. Hier ist er kein Unbekannter, denn in der Vergangenheit hat er bereits die Bühnenbilder für “Leonce und Lena“ und “Amphitryon“ entwickelt. Auf die Frage des Kasseler Intendanten Thomas Bockelmann, ob er sich nicht auch einmal als Regisseur versuchen wolle, habe Habben ihm einst geantwortet: “Wenn, dann nur bei Hamlet.“ Wenige Jahre später nahm Bockelmann ihn beim Wort und somit erfolgte das Regiedebüt des mittlerweile 80jährigen.
Selbstverständlich weiß der gelernte Bühnenbildner die Freiheiten, die eine Shakespearevorlage bietet, zu nutzen. Zur Zeit Shakespeares existierte ein Bühnenbild, wie wir es heute kennen, kaum. Der Bühnenaufbau bestand im Wesentlichen lediglich aus Türen für die Auf- und Abgänge der Schauspieler, einer Klappe im Boden und einem erhöhten Balkon, bzw. einer Galerie und genau diese Elemente finden sich auch auf der Bühne im Staatstheater wieder. Bei der genaueren Charakterisierung der Umgebung habe man sich, laut Dramaturg Michael Volk, von der Frage leiten lassen, welche Atmosphäre erzielt werden solle.
Die Idee das Königsschloss, in dem man sich gegenseitig belauscht, verunsichert, misstraut und bespitzelt, mit der Atmosphäre eines Krankenhauses oder einer Psychiatrie zu verweben, erscheint durchaus reizvoll. Vereinzelt entstehen auch ansprechende Einzelbilder, die jedoch weder immer der Erzählung noch der näheren Charakterisierung der Figuren dienen. Letztlich scheint es der Inszenierung ein wenig an der nötigen Konsequenz zu fehlen, um über die zweieinhalb Stunden Spielzeit tatsächlich eine dichte Atmosphäre entstehen zu lassen.
Peter Elter (Hamlet)
Quelle: N.Klinger
Neben wenig originellen Regieeinfällen, wie der Nutzung von Handys auf der Bühne, gibt es durchaus sehr schöne Ideen, etwa wenn akrobatisch auftretende Statisten aus zwei Krankenhausbetten hurtig eine weitere Bühne auf der Bühne errichten. Der Musikeinsatz (Georgy Vysotzky) weiß ebenso zu gefallen, wie die Leistung des Ensembles, obwohl einzelne Schauspieler, insbesondere wenn sie mit dem Rücken zum Publikum agieren, stellenweise etwas schwer verständlich sind. Peter Elter gelingt es, Hamlet in all seinen Facetten glaubhaft darzustellen und auch der mit viel Körpereinsatz agierende Jürgen Wink kann als übereifriger Polonius vollauf überzeugen und erntet einige Lacher im Verlaufe des Abends.
Trotz interessanter Ansätze, einiger guter Ideen und einer überraschenden Schlussviertelstunde wirkt die Produktion ein wenig zerfasert und kann nicht die dichte Atmosphäre heraufbeschwören wie es beispielsweise der Inszenierung von Macbeth, die in der vergangenen Spielzeit Premiere in Kassel feierte, gelungen ist.

weitere Informationen: https://www.staatstheater-kassel.de

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