Auto/Motor
Volkswagen-Chef Winterkorn erteilt weiteren Zukäufen klare Absage
"Momentan haben wir zwölf Marken. Das reicht mir auch", erklärte Winterkorn. Volkswagen wurden zuletzt immer wieder Absichten nachgesagt, Marken aus dem Fiat-Konzern schlucken zu wollen. Obwohl das Thema demnach vom Tisch ist, verfolgt Winterkorn die Entwicklung bei Fiat aufmerksam. Das Verschwinden von Lancia tue ihm "im Herzen weh", sagte Winterkorn "Wer einmal auf der Mille Miglia war und die alten Lancias und Alfas gesehen, gehört und gerochen hat und jetzt sieht, wie Lancia untergeht, dem kann das nicht egal sein. Man sieht, was passieren kann, wenn man nicht aufpasst. Man muss in dieser Branche immer auf der Hut sein, darf den Erfolg nie als gesetzt nehmen", sagte der Volkswagen-Chef. Dass Volkswagen schon in kurzer Zeit - wie anvisiert - größter Automobilhersteller der Welt sein wird, hält Winterkorn für gesetzt. "Natürlich gibt es einem eine gewisse Befriedigung, wenn ein langfristig gesetztes Ziel erreicht wird", sagte er. Der Konzernchef warnte jedoch davor, allein nach Stückzahlen zu schielen - so wie zuvor die Rivalen Toyota und General Motors (GM). "Mit Größe allein ist es nicht getan", sagte Winterkorn. "Volkswagen soll in jeder Hinsicht an der Spitze stehen, auch in Sachen verantwortungsvoller Unternehmensführung. Ich bin mit dem Wort `Vorbild` vorsichtig - einen Vorreiter kann man unsere Industrie und damit auch Volkswagen aber sehr wohl nennen: bei den Arbeitsbedingungen, beim verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten macht uns wohl niemand etwas vor." Winterkorn räumte aber auch Defizite bei Volkswagen ein. Zum Beispiel beim Thema Digitalisierung der Autos wird Volkswagen derzeit in der Öffentlichkeit nicht als Vorreiter wahrgenommen. "Da müssen wir sicher noch an der Wahrnehmung arbeiten", erklärte Winterkorn selbstkritisch. "Im Januar in Las Vegas und in Detroit ist aber doch klar geworden, dass unsere Industrie auf dem Feld der Mobilität auch hier die Standards setzt und die Nase vorn hat." An die gesamte Branche gerichtet, sagte Winterkorn: "Wir müssen uns als Autoindustrie noch viel intensiver mit den Chancen der Digitalisierung und Vernetzung befassen - wir müssen auch da unseren Vorsprung nicht nur halten, sondern weiter ausbauen. Hier geht es auch um neue Geschäftsfelder und datenbasierte Dienstleistungen rund um unsere Fahrzeuge." Auch deshalb sei das Zukunftsprogramm "Future Tracks" für den Konzern aufgelegt worden, das all diese Themen adressiere. Die Position der etablierten Automobilindustrie sieht der Vorstandschef durch neue Player wie Apple oder Google, die mit dem Gedanken eines Einstiegs ins Pkw-Geschäft spielen, nicht in Gefahr. "Ich bin aber überzeugt: Das Automobil als eines der komplexesten Industrieprodukte wird unsere ureigene Hoheit bleiben." Und die Autoindustrie werde trotz möglicherweise neuer Konkurrenz und immer wieder kolportierter Unlust junger Menschen am Automobil eine der wichtigsten Säulen der Industrie vieler Länder bleiben. "Ich sehe nicht, dass sich das ändern wird", sagte der Volkswagen-Chef. "Wir entwickeln und bauen nicht nur faszinierende Fahrzeuge, wir übernehmen auch eine wichtige Rolle in der Gesellschaft." Die Reputation einer Marke wie Volkswagen basiere wesentlich auf den Produkten, verantwortliches Handeln in der Gesellschaft, besonders auf den Feldern der Ökonomie, des Sozialen und vor allem auch der Ökologie gehöre aber inzwischen fast gleichrangig dazu. "Unsere Produkte, aber auch unsere Produktionstechniken, unsere Arbeitsorganisation sind richtungsweisend für viele andere Branchen", so Winterkorn. Für das schwächelnde US-Geschäft sprach Winterkorn klar von Schwachstellen und kündigte eine Aufholjagd an: "Wir waren nachlässig und wurden bestraft. Außerdem haben die amerikanischen Autohersteller in kurzer Zeit ihre Qualitätsansprüche nach oben orientiert. Wir haben uns auf dem Erfolg des US-Passats zu sehr ausgeruht und waren auch nicht vorbereitet auf die Konter der Japaner, die ziemlich schnell einen neuen Toyota Camry oder Honda Accord auf den Markt gebracht haben." Die Amerikaner wollten alle drei Jahre ein neues Auto haben. Volkswagen hätte den Passat schneller überarbeiten müssen. "Aber wir haben daraus gelernt, bringen neue SUVs speziell für Amerika und werden die Modellzyklen verkürzen", kündigte der VW-Chef an. "Unsere größten Erfolge in den USA, der Jetta und der Passat, sind jetzt nicht unbedingt die emotionalsten Fahrzeuge der Palette. Die sind sehr funktional, praktisch und langlebig, aber die Seele der Amerikaner müssen wir anders erreichen", räumte Winterkorn ein. Abhilfe werde ein neues, großes SUV speziell für Amerika schaffen. "Es wird auch kleinere SUVs auf Golf Basis geben." Als Chef könne er bei schwachen Leistungen seiner Mitarbeiter ziemlich unduldsam werden, bekannte Winterkorn. Bei den Testfahrten zur Abnahme neuer Modelle, die in Serienproduktion gehen, sei es "schon ein echtes Glücksgefühl", wenn man sehe, dass ein Auto richtig gut geworden sei. "Wenn es nicht so ist, bin ich dementsprechend sauer", so Winterkorn. "Und da bin ich lieber etwas deutlicher. Nur durch das klare Benennen von quietschenden Bremsen, einer ungenauen Lenkung oder einer hakeligen Schaltung werden die letzten, entscheidenden Änderungen möglich." Winterkorn outete sich als Fan von GTI-Treffen, beispielsweise dem am Wörthersee. Er sei genau so Fan wie die Bastler und Schrauber. "Grandios, was sie mit unseren Autos machen. Da sehen Sie Audi B3s oder alte GTIs, die haben verchromte Motorräume. Ich frag die Jungs dann, wie sie das hinbekommen haben und dann erzählen sie", so Winterkorn. "Diese Art der Fankultur, die müssen wir fördern. Denn das sind die Treuesten. Die lassen sich dann das VW Logo hinten in die Haare rasieren oder sogar tätowieren." Sein Lieblingsauto sei übrigens der Golf IV, verriet Winterkorn: "Der ist ästhetisch, noch immer modern, obwohl er zehn, 15 Jahre alt ist. Der neue Golf gefällt mir natürlich sehr gut, weil er scharf konturiert ist."
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