Kultur

Wim Wenders präsentiert neueste Fotografien in Berlin

Landschaften erzählen Geschichten


(Quelle: Mario Graß)
(Quelle: Mario Graß)
GDN - Die Blain|Southern Galerie in Berlin präsentiert derzeit neue und erst kürzlich entstandene Fotografien von Wim Wenders. In der sehenswerten Ausstellung sind Bilder aus Deutschland und den USA, die beiden Länder, die Wim Wenders seine gesamte Laufbahn hindurch am meisten geprägt haben, zu sehen.
Cineasten ist Wim Wenders (*1945) als einer der wichtigsten Vertreter des Deutschen Films bekannt, doch neben seiner Tätigkeit als Regisseur atmosphärischer Kinofilme arbeitet der Künstler seit Langem auch als Fotograf, dessen Arbeiten seit 1986 weltweit in Museen und Galerien ausgestellt werden. Für Wim Wenders ist die Fotografie ein gleichwertiger Teil seines künstlerischen Schaffens. “Ich bin seit 30 Jahren zur Hälfte meines Berufslebens Fotograf.“
Quelle: Mario Graß
Auch wenn die Fotografien von Wim Wenders seine aus Filmen bekannte Handschrift tragen und eine vergleichbare Poesie und Suggestionskraft aufweisen, sieht er selbst erhebliche Unterschiede zwischen seiner Arbeit als Filmemacher und jener als Fotograf. “Beim Filmen bin ich ein Geschichtenerzähler. Landschaften spielen in meinen Filmen zwar immer eine große Rolle, oftmals sind sie sogar der Ursprung der erzählten Geschichte, aber dann treten sie doch eher in den Hintergrund. Bei der Fotografie stelle ich die Landschaften in das Zentrum. Beim Fotografieren erzähle ich nichts, sondern die Landschaft erzählt mir eine Geschichte.“
Contemplation, Denver, Colorado 1982
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
Während Wim Wenders bei seinen Filmen durchaus modernste Technik nutzt, greift er beim Fotografieren vorzugsweise auf eher altmodische Verfahren zurück. Seine digitalen Kameras habe er im Laufe der Zeit verschenkt, weil er nichts mit ihnen anzufangen wusste. Stattdessen fotografiere er mit zwei analogen Kameras. “Bei der digitalen Fotografie stört mich schon, dass ich das Resultat auf dem Bildschirm sehen kann. Analoge Fotografie ist intimer, was die Beziehung zu einem Ort betrifft.“
Forest in Brandenburg 2014
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
Auch verzichtet Wenders auf die mittlerweile gängige Nachbearbeitung seiner Fotos. “Mich interessiert es nicht Landschaften zusammenzusetzen oder einen Himmel durch einen anderen zu ersetzen. Auch dies ist ein Unterschied zum Filmen, wo ich ja mit allen möglichen Tricks arbeite. Beim Fotografieren will ich den Ort zeigen wie er ist “¦ und wenn man eine Stunde warten muss, damit sich das Licht verändert, wird das Bild dadurch umso kostbarer.“
Roller Coaster, Montréal, Canada 2013
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
Nachdem er zunächst viel in schwarz-weiß fotografiert habe, sei er mittlerweile ausnahmslos zur Farbfotografie gewechselt. Augenzwinkernd bemerkt Wenders, dass es eine perfekte Arbeitsteilung zwischen ihm und seiner Frau gäbe. “Meine Frau fotografiert in schwarz-weiß und vor allem Menschen. Ich fotografiere seit 1983 ausschließlich in Farbe und warte bis die Menschen aus dem Bild verschwunden sind.“ In der Tat sind auf den teilweise großformatigen Fotografien nur in Ausnahmefällen Personen zu sehen.
Quelle: Mario Graß
“Dabei habe ich nichts gegen Menschen. In meinen Filmen geht es ja um Menschen. Aber das Problem beim Fotografieren ist, dass sobald ein Mensch im Bild zu sehen ist, egal wie klein oder wie sehr im Hintergrund, ist er trotzdem sofort der Mittelpunkt. Der Betrachter projiziert sich in diesen Menschen und sieht die Landschaft aus dessen Perspektive. Die Landschaft tritt zurück.“
Drive-in at night, Montréal, Canada 2013
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
So sind ausgesprochen atmosphärische, poetische Aufnahmen entstanden, die nahezu ausnahmslos eine große Ruhe ausstrahlen und geradezu entschleunigt wirken. Darauf angesprochen bemerkt Wenders, dass “die Entschleunigung fast eine zwangsläufige Begleiterscheinung der Fotografie [ist]. Das fängt schon damit an, dass ich zu Fuß unterwegs bin. Da ich analog fotografiere, mache ich oft nur 2 oder 3 Fotos. Das ist ganz anders als bei der digitalen Fotografie. Ich lasse mich auf den Ort ein und dazu muss ich mich ganz leer machen “¦ nicht mehr auf mich achten, denn ich will nichts in den Ort hineintragen.“
Doch obwohl Wim Wenders bei seinen fotografischen Arbeiten die Landschaften so sehr in den Mittelpunkt stellt, kommt er zu einer überraschenden Aussage. “Ich bin eigentlich kein Landschaftsfotograf. Mich interessiert weniger die Landschaft, sondern mich interessieren die Spuren, die Menschen hinterlassen haben. Mich interessiert was die Landschaft über uns Menschen erzählt.“ In der Tat - lässt man sich auf die ausgestellten Fotografien ein, nimmt sich Zeit beim Betrachten, sind die enthaltenen Geschichten zu entdecken.
Blickt man beispielsweise auf die langgezogenen Furchen eines Brandenburger Spargelfeldes bei Beelitz, entdeckt man nach einiger Zeit in der Ferne am gegenüberliegenden Waldrand ein kleines, rotes Toilettenhäuschen. “Diesen roten Farbklecks fand ich für das Bild wichtig und es ist natürlich auch kurios, dass in einem Wald ein Toilettenhäuschen steht.“ Aber es erzähle auch etwas über den weiten Weg, den man dorthin zurücklegen müsse.
Installation View
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
In der Haupthalle der Galerie stehen großformatige Stadt- und Naturräume in einem Dialog: Landschaftspanoramen rund um Berlin treffen auf Bilder der sich wandelnden Stadt der frühen 90er-Jahre. Wim Wenders neuestes, großartiges Panorama zeigt in einer Breite von viereinhalb Metern die epische Landschaft des amerikanischen Westens - eine Gegend, die er sowohl filmisch als auch fotografisch weitläufig erkundet hat.
The Elbe River near Dömitz 2014
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
Auf einer weiteren Fotografie, The Elbe River near Dömitz (2014), ist die Elbe von dem anderen Ufer aus zu sehen als vor 40 Jahren in seinem Film “Im Lauf der Zeit“. “Der Film begann damit, dass ein Auto in den Fluss fuhr“, erinnert sich Wenders. “Die Elbe war damals der Grenzfluss zwischen der BRD und der DDR. Die Grenzer auf der anderen Seite haben uns damals gefilmt und ich wollte die Stelle finden und schauen, was die damals gesehen haben“¦ und ich habe sie gefunden. Der Filmtitel “Im Lauf der Zeit“ hat noch eine überraschende Relevanz bekommen.“
Installation View
Quelle: Courtesy Wim Wenders und Blain|Southern
Im oberen Galerieraum sind kleinformatigere Fotografien zu sehen, die facettenreiche Geschichten aus Deutschland und Amerika erzählen. Ein riesiger Salzberg ragt über einer gespenstisch stillen Stadt, eine durchlöcherte Kinoleinwand steht ausgemustert und verlassen herum, eine Frau sitzt allein am Ende der Theke einer amerikanischen Bar. Die sehenswerte Ausstellung ist noch bis zum 14.November in der Blain|Southern Galerie (Potsdamer Straße 77-87) zu sehen.
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