Kultur
“Ein Sommernachtstraum“ am Stadttheater Bielefeld
It is a mad world
(Quelle: Philipp Ottendörfer )
GDN -
“Ein Sommernachtstraum“, eines der beliebtesten und meistgespielten Shakespearestücke, feierte am Freitag Premiere im Stadttheater Bielefeld. Die gelungene, mit einigen Überraschungen aufwartende, Inszenierung erntete großen Jubel und Standing Ovations.
“I find it hard to tell you. I find it hard to take. When people run in circles. It's a very, very mad world.“ Mit den Zeilen aus dem Song “Mad World“ der britischen Popgruppe Tears for Fears, der im Jahre 2003 noch einmal große Popularität durch die Coverversion von Gary Jules erfuhr, beginnt der Sommernachtstraum auf der Bühne des Stadttheaters Bielefeld.
Es ist Puck, Hofnarr und Diener des Oberon, der diese Zeilen in die Luft haucht und somit nicht erst im II. Akt auftaucht, um im Wald für Verwirrung unter den Verliebten zu sorgen. Dieses wundersame Wesen beeinflusst das Geschehen von Beginn an und setzt gar die gesamte Handlung, die sich zu einem alptraumartigen Verwirrspiel entwickelt, in Gang. Die Ausdehnung der Rolle des Pucks ist eine von zahlreichen gelungenen Regieeinfällen der Bielefelder Inszenierung.
Erst nach diesem Prolog tritt Theseus, Herrscher von Athen, mit seiner zukünftigen Gattin der Amazonenkönigin Hippolyta, auf, deren Hochzeit kurz bevorsteht. Doch die Vorbereitungen für das geplante rauschende Fest werden empfindlich gestört als Egeus von Theseus einen Schiedsspruch verlangt. Seine Tochter Hermia ist unsterblich in Lysander verliebt und weigert sich daher Demetrius, dem sie bereits versprochen ist, zu heiraten.
Aus Angst vor den drohenden Konsequenzen, die sich aus ihrer unerwünschten Liebe ergeben, flieht Hermia mit Lysander in den Wald, verfolgt vom wütenden, brüskierten Demetrius, der wiederum die ihm verfallene Helena im Schlepptau hat. Doch all diese nach wahrer Liebe Sehnenden ahnen nicht, dass bereits ganz andere Kräfte ihr Handeln beeinflussen und dafür sorgen, dass sich das Liebeschaos zu einem Verwirrspiel, das zunehmend außer Kontrolle zu geraten droht, entwickelt, denn auch im Wald treibt Puck sein Unwesen.
Der Elfenherrscher Oberon hat seinen Gehilfen damit beauftragt, einen Zaubertrank zu beschaffen, der, auf das Augenlid eines Schlafenden geträufelt, wahre Liebesraserei entfacht und dafür sorgt, dass sich der Betreffende beim Erwachen - im wahrsten Sinne des Wortes augenblicklich - in die nächste lebende Kreatur verliebt. Doch Puck verwechselt die Personen und statt der erhofften Harmonie erzeugt er Hass, Hysterie, unkontrollierte Begierde und liebestolle Raserei.
Überdies studiert soeben eine nichts ahnende Laienspielgruppe in der Abgeschiedenheit des Waldes ein Theaterstück, das die geplante Hochzeitsfeier am Athener Hof bereichern soll, ein. Doch auch die ahnungslosen Schauspieler sind schon lange nicht mehr Herren des Geschehens, sondern werden marionettengleich von Puck gelenkt.
Im Wald bricht eine Sommernacht an, in deren Verlauf die Beteiligten ihren manipulierten Gefühlen hoffnungslos ausgeliefert sind.
Im Wald bricht eine Sommernacht an, in deren Verlauf die Beteiligten ihren manipulierten Gefühlen hoffnungslos ausgeliefert sind.
Was als klassisch-tragische Beziehungskomödie beginnt, schwillt zu einem romantischen Spektakel an, das sich in ein Verwirrspiel um Identität und Gefühl steigert.
Shakespeare hat den Sommernachtstraum vermutlich 1595 oder 1596 verfasst und der Theaterwelt ein Stück hinterlassen, das zu seinen meistgespielten Werken zählt und dem Theaterpublikum, so auch den überwiegend begeisterten Zuschauern in Bielefeld, bis zum heutigen Tage großes Vergnügen bereitet.
Shakespeare hat den Sommernachtstraum vermutlich 1595 oder 1596 verfasst und der Theaterwelt ein Stück hinterlassen, das zu seinen meistgespielten Werken zählt und dem Theaterpublikum, so auch den überwiegend begeisterten Zuschauern in Bielefeld, bis zum heutigen Tage großes Vergnügen bereitet.
Christian Schlüter, seit Jahren Oberspielleiter des Schauspiels am Theater Bielefeld, hat das Stück inszeniert und stellt Puck ins Zentrum des Geschehens. Das koboldhafte Wesen beschwört das Chaos herauf, indem es bereits am Athener Hof die Handlung anstößt, an sämtlichen Schaltstellen des Stückes sein Unwesen treibt und sogar in die Figuren fahren kann. Somit gelingt es der Inszenierung die verschiedenen Handlungsebenen, die Shakespeare ohnehin kunstvoll miteinander verwoben hat, noch stärker miteinander zu verbinden.
Als überaus stimmig und ergiebig erweist sich ferner die Idee, Puck mit Christina Huckle und Isabell Giebeler doppelt zu besetzen und somit dessen vielschichtige, unberechenbare Allgegenwärtigkeit voll auszuschöpfen.
Als überaus stimmig und ergiebig erweist sich ferner die Idee, Puck mit Christina Huckle und Isabell Giebeler doppelt zu besetzen und somit dessen vielschichtige, unberechenbare Allgegenwärtigkeit voll auszuschöpfen.
Wiederholt sorgen während der etwa zweieinhalbstündigen Aufführung ansprechende Regieideen für Überraschungen, etwa wenn es sich die beiden Pucks mit Oberon in Kinosesseln bequem machen, um bei Popcorn dem Treiben, das sie selbst ausgelöst haben, genüsslich zuzuschauen.
Die vielen gelungenen Pointen gleiten mitunter ins klamaukige, wenn nicht gar trashige ab, wenn beispielsweise während einer triebhaften Liebesnacht der Schriftzug “Ecstasy“ in Leuchtbuchstaben, wie in einer Las Vegas-Show von der Decke hinabsinkt.
Entsprechend der bunten, modernen und actionreichen Inszenierung hat Anke Grot ein Bühnenbild geschaffen, das futuristisch, romantisch und kitschig zugleich wirkt. Der Bühnenbildnerin ist das Kunststück gelungen, einen Wald ohne jeglichen Baum vor dem inneren Auge des Zuschauers entstehen zu lassen. Die Decke, unter der die Akteure in der imaginären Manege, sich selbstlos in Nöte bringend, für die Unterhaltung des Publikums sorgen, mag an ein Zirkuszelt erinnern.
Die Protagonisten bewegen sich durch ein Dickicht aus wenig natürlich anmutenden Elementen, hinauf zur Empore, wo in einer Mischung aus provisorischem Baumhaus, karibischer Strandbar und biederer Gartenlaube der Elfenherrscher Oberon lebt. An der Wand seiner Behausung steht mit flüchtiger Schrift geschrieben, was als Motto des Abends gelten könnte: “All for your delight.“
Möglicherweise entfernt sich für manchen Zuschauer die Art der Inszenierung zu weit vom Original, doch gilt es zu bedenken, dass Theater zur Zeit Shakespeares nicht das hochkulturelle, seriöse Programm bot, das wir heute oftmals mit dieser Kunstform verbinden, sondern Unterhaltung für die Massen, die eher einer Mischung aus Kirmes und heutiger Fußballstadionatmosphäre ähnelte. Die emotionale Anteilnahme des Publikums war enorm und nicht selten sprangen Zuschauer auf und feuerten, bei einem auf der Bühne ausgetragenen Duell, die Kontrahenten lautstark an oder brachen in spontanen Applaus nach einem gelungenen Monolog aus.
Diesen Ansatz nimmt die Bielefelder Inszenierung durchaus auf, wenn sich etwa Schauspieler unter das Publikum mischen, dieses direkt ansprechen oder in die Handlung einbeziehen.
Auch die Entscheidung als Textgrundlage die Übersetzung von Frank Günther zu wählen, zielt in eine ähnliche Richtung, denn dessen Anliegen besteht vorrangig darin, nicht die exakten Worte, sondern vielmehr die Wirkung, die der Shakespearetext zur damaligen Zeit auf das Publikum hatte, in die heutige deutsche Sprache zu übertragen. “Jede Übersetzung ist eine Interpretation, und sie sollte den Zuschauern der neuen Sprache das zugänglich machen, was ein Shakespeare-Publikum seinerzeit erlebt hat." (F. Günther)
Auch die Entscheidung als Textgrundlage die Übersetzung von Frank Günther zu wählen, zielt in eine ähnliche Richtung, denn dessen Anliegen besteht vorrangig darin, nicht die exakten Worte, sondern vielmehr die Wirkung, die der Shakespearetext zur damaligen Zeit auf das Publikum hatte, in die heutige deutsche Sprache zu übertragen. “Jede Übersetzung ist eine Interpretation, und sie sollte den Zuschauern der neuen Sprache das zugänglich machen, was ein Shakespeare-Publikum seinerzeit erlebt hat." (F. Günther)
Womöglich gelingt es daher der Bielefelder Inszenierung gerade durch ihren relativ freien, eigenständigen Umgang mit der Vorlage, Shakespeare besonders nahezukommen.
Die unterschiedlichen Figurengruppen - die Elfenwesen im Wald, die aus einem einfachen Milieu entstammenden Laienschauspieler, das Herrscherpaar am Athener Hof, die Figuren in “Pyramus und Thisbe“, dem “Stück im Stück“ und die jungen Verliebten - verwenden, entsprechend ihrer jeweiligen Herkunft, Eigenart und Position, gänzlich unterschiedliche Sprachstile und Tonlagen.
Die unterschiedlichen Figurengruppen - die Elfenwesen im Wald, die aus einem einfachen Milieu entstammenden Laienschauspieler, das Herrscherpaar am Athener Hof, die Figuren in “Pyramus und Thisbe“, dem “Stück im Stück“ und die jungen Verliebten - verwenden, entsprechend ihrer jeweiligen Herkunft, Eigenart und Position, gänzlich unterschiedliche Sprachstile und Tonlagen.
In das positive Gesamtbild fügt sich eine durchweg überzeugende Ensembleleistung, wobei die beiden wirbelnden Pucks - und hierbei besonders Christina Huckle, die wiederholt in unterschiedliche Rollen schlüpfen muss - besonders hervorstechen. Thomas Wehling kann in der Rolle des Niklaus Zettel aus dem Vollen schöpfen und besonders viele Lacher verbuchen.
Als sich die Sommernacht ihrem Ende zuneigt und der Tag anbricht ist ein Gegenmittel gefunden, das die Liebenden aus ihrem Chaos erlöst. Doch es bleibt Vorsicht geboten, denn die Elfen bleiben unter uns und wir sind ihren Launen wehrlos ausgeliefert. Sie sind jederzeit in der Lage unsere Vernunft außer Kraft zu setzten und so gehören die letzen Worte den beiden Pucks und der Kreis schließt sich: “I find it hard to tell you. I find it hard to take. When people run in circles. It's a very, very mad world.“
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