Kultur
“Kämpfe nie gegen etwas, sondern stets für etwas“
Buchpremiere von Tara Stella Deetjen
(Quelle: Mario Graß)
GDN -
Tara Stella Deetjen, Gründerin der Hilfsorganisation Back to Life e.V., hat über ihre vielen Jahre in Indien ein Buch geschrieben: “Unberührbar - Mein Leben unter den Bettlern in Benares". Im Rahmen einer berührenden Lesung stellte die beeindruckende Frau das Buch ihrem Publikum vor.
“Seit vierzehn Jahren fragt mich kein Mensch mehr nach meinem Namen. Warum willst ausgerechnet du ihn wissen?“, entgegnet der weißhaarige Bettler, dessen Gesicht und Körper von Entbehrungen und seiner Krankheit gezeichnet sind, der blonden Touristin auf ihre Frage.
Einen Tag zuvor sind sich die beiden - Stella Deetjen, die junge, abenteuerlustige Rucksacktouristin aus Deutschland und Musafir, der an Lepra erkrankte Mann, der ohne Hoffnungen und Perspektiven auf den Straßen von Benares lebt - zum ersten Mal begegnet.
Einen Tag zuvor sind sich die beiden - Stella Deetjen, die junge, abenteuerlustige Rucksacktouristin aus Deutschland und Musafir, der an Lepra erkrankte Mann, der ohne Hoffnungen und Perspektiven auf den Straßen von Benares lebt - zum ersten Mal begegnet.
Vor der Aufnahme ihres geplanten Studiums bereist die junge Frau Indien, als sie in der heiligen Pilgerstadt Benares das Schicksal vieler europäischer Touristen, die mit der Verträglichkeit der dortigen Küche Schwierigkeiten haben, ereilt. Sie hockt auf einer der vielen Treppen, die zum Ganges hinabführen und hält sich mit verzerrtem Gesicht den schmerzenden Bauch, als ein Bettler an sie herantritt. Auch ohne seine Sprache zu verstehen ist Stella klar, dass dieser sie nicht etwa um Geld bittet, sondern besorgt ist und ihr helfen möchte.
Gleich am folgenden Tag, in körperlich besserer Verfassung, sucht Stella den Mann erneut auf, um ihm für seine Hilfsbereitschaft zu danken. Weitere Leprakranke gesellen sich hinzu und es entwickeln sich lebhafte Gespräche in Zeichensprache. Die folgenden Wochen verbringt Stella inmitten der Leprakranken, die, ausgestoßen von der Gesellschaft, ihr Dasein auf den staubigen Straßen, unter unmenschlichen Bedingungen, fristen.
Diese ungewöhnliche Begegnung liegt mittlerweile mehr als 20 Jahre zurück und sie hat das Leben von Stella Deetjen in einer erstaunlichen Art und Weise von Grund auf verändert. “Ich fühlte, dass hier etwas Besonderes begann. Dass ich die Gelegenheit hatte, in eine Lebenswelt zu blicken, die eine junge Frau aus dem Westen sonst nicht zu Gesicht bekommt. Ich hatte Angst davor. Und ich freute mich darauf.“ Es war der Beginn ihres leidenschaftlichen und mutigen Kampfes für die Rechte und die Würde der Unberührbaren und ihrer Familien.
Mutig und entschlossen verwarf sie ihre Zukunftspläne und eröffnete, allen Zweiflern und Skeptikern zum Trotz und gegen alle kulturellen Widerstände, die erste Straßenklinik in Benares, im Norden Indiens und rief gemeinsam mit ihrem Bruder Wolf Deetjen die Hilfsorganisation Back to Life e.V. ins Leben. Mit der wundersamen Begebenheit am Ufer des Ganges hat sich nicht nur Stellas Leben von Grund auf verändert, sondern auch das von tausenden hilfsbedürftigen Menschen in Indien und Nepal.
Tara Stella Deetjen hat über ihre vielen Jahre in Indien ein Buch mit dem Titel “Unberührbar - Mein Leben unter den Bettlern in Benares" geschrieben, in dem viel Spannendes über die nun bereits 20 Jahre zurückliegenden Anfänge der umfangreichen Projektarbeit des Vereins zu erfahren ist - über ständige Herausforderungen und Gefahren sowie auch die ersten Erfolge beim mutigen Kampf gegen Lepra und Armut.
Im Rahmen einer Lesung stellte die Entwicklungshelferin am Dienstagabend ihr Buch in Bad Homburg ihrem Publikum vor und verstand es mit amüsanten, tieftraurigen wie auch geradezu unglaublichen Anekdoten die Hörer in ihren Bann zu ziehen. Spürbar beeindruckt lauschten die Zuhörer Stellas bewegenden Schilderungen von unermesslichem Leid, abstoßender Gewalt und für Europäer kaum vorstellbarem Elend. Trotz zahlreicher bitterer Erfahrungen und dramatischer Situationen ist in ihren Worten aber auch stets eine allgegenwärtige Hoffnung spürbar.
“Manche Geschichten, die ich erzähle, tun richtig weh“, räumte Stella ein, “aber es gibt durchaus auch heitere Begebenheiten.“ Davon überzeugte sie die Zuschauer sogleich, als sie ihre Erlebnisse mit einem indischen Arzt vorlas. Geplagt von Magenschmerzen hoffte sie auf eine medizinische Behandlung und die Verabreichung von Medikamenten, sah sich jedoch stattdessen mit einem trommelnden Musikguru konfrontiert, zu dessen ekstatischen Rhythmen der aufgesuchte Arzt inbrünstig zu singen begann. Die weitere Beziehung zu dem “Doktor des Grauens“ (Stella Deetjen) gipfelte kurze Zeit später gar in einem skurrilen Heiratsantrag.
Während der Pause drängten sich die Zuhörer an den Büchertisch und tauschten sich angeregt über ihre Eindrücke aus. “Was für eine starke Frau“¦“ “¦ “ungeheuer charismatisch“ “¦ “einfach nur bewundernswert“ “¦ “eine faszinierende Frau.“ Der Tenor war einhellig, was sich auch daran zeigte, dass noch bevor Stella zum zweiten Teil ihrer Lesung an das Rednerpult trat, ihr Team verkündete, dass bereits sämtliche Buchexemplare verkauft waren, sodass manch ein Gast auf den Buchhandel verwiesen werden musste. Das große Interesse zeigte wie sehr Stella Deetjen das Publikum mit ihren Erzählungen beeindruckt und neugierig gemacht hatte.
Als ein Schlüsselkapitel in ihrem Buch bezeichnete Stella einen Brief, den sie einst ihrem Bruder Wolf geschrieben hatte und in dem sie von einer dramatischen und empörenden Begebenheit berichtete, in deren Verlauf ihr bewusst wurde, dass sie die Menschen, mit denen sie sich in Indien angefreundet hatte, nicht alleine lassen könne.
Sie entschied sich in Indien zu bleiben, bemühte sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, den Leprakranken medizinische Hilfe zukommen zu lassen, sah sich, da sie sich für Menschen einsetzte die als “die Unberührbaren“ galten, mit Anfeindungen und Erschwernissen konfrontiert und lernte in der Auseinandersetzung mit der ihr nicht immer wohlwollend gesinnten Umgebung: “Kämpfe nie gegen etwas, sondern stets für etwas.“
“Es ist unvorstellbar, was sich aus ganz kleinen Anfängen entwickelt hat“, äußerte Stella in einem Interview gegenüber German Daily News. Mittlerweile führt ihre Hilfsorganisation “Back to Life“ Projekte in Indien und Nepal durch, leistet medizinische sowie soziale Hilfe für Leprakranke, hat Kinderheime und Schulen errichtet und tausenden Menschen ein Stück ihrer Würde zurückgegeben. Stellas Ahnung von damals hat sich bewahrheitet: “Ich fühlte, dass hier etwas Besonderes begann.“
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