Kultur
7 Walks in the Woods - Eine Gruppenausstellung
Künstlerische Spurensicherungen
Am Ufer des Rabenholzer Sees (Quelle: Foto: Verena Voigt )
GDN -
Verena Voigt, Leiterin des Kieler Kunstvereins GFZK e.V., entwickelt zusammen mit bildenden Künstlern Projekte in historischen Eiskellern. “7 Walks in the Woods“ lautet der Titel der neue Gruppenausstellung, die am 2. Juli 2017 in Struxdorf eröffnet wird. Das Interview gibt Einblicke in das Projekt
CG: Warum beschäftigt sich ein Kunstverein mit Eiskellern?
2013 hat Verena Voigt einen Kunstverein gegründet, der bildende Künstlerinnen und Künstler bei der Auseinandersetzung mit Denkmälern und Landschaften unterstützt, unter besonderer Berücksichtigung von historischen Eiskellern: die “Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V.“. In Struxdorf, im Atelier ANKAundANDERS, wird gerade eine Gruppenausstellung vorbereitet: "7 Walks in the Woods" mit Neuproduktionen von Anja Jensen (Hamburg) und Anka Landtau (Struxdorf) sowie Arbeiten von Linda Lammert Lildholdt (Dänemark), Alexander Pröpster (Hamburg), Sabine Linse (Berlin), Clement Price- Thomas (New York) sowie Katja Grüneberg-Wehner und Jutta Kneisel (Kiel). Was ist das Faszinierende an der historischen Kühltechnik?VV: Alte Zivilisationen haben seither die Wintermonate benutzt, die natürliche Ressource Eis bzw. Schnee aus Gewässern und Bergen zu “ernten“, um ihre Kühleigenschaften zu nutzen. Ägypter, Römer, Griechen, Chinesen, etc. haben unterschiedliche Formen von Eiskeller bzw. Schneehäusern geschaffen, um Kühlenergie in Form von Eis zu speichern. - Im Europa der Neuzeit (seit 1600) war es nur den Großgrundbesitzern möglich, von der Kühltechnik zu profitieren. - Interessant sind die Standorte: Eiskeller wurden stets in der Nähe von Wasserquellen gebaut, von Seen, Teichen oder Bachläufen, die sich aufstauen ließen. Oder auch in Feuchtgebieten, die im Herbst überschwemmt wurden und in denen im Winter das Wasser zu Eis gefror. Die Eisernte war eine spezielle Technik, die besondere Geräte und Arbeitskraft erforderte. Die Bauern wurden von den Gutsbesitzern im Winter verpflichtet, eine Anzahl von Tagewerken für die Eisernte zu verrichten. In Schleswig-Holstein reichte die Wasserqualität nur zur Kühlung von Speisen, nicht zum Verzehr. - Auf Mallorca aber konnte der Schnee im Tramuntana-Gebirge zu Speiseeis verarbeitet werden. Das Eis wurde in der Kühle der Nacht mit Hilfe von Lasttieren ins Tal gebracht. Die Xocolateria Ca“™n Joan gehört zu den Speiseeisherstellern der ersten Stunde. Der Genuss von Speiseeis ist bis heute in dem Künstlercafé Kult in der Carrer de Can Sanc, schon Joan Miró ging hier ein und aus.
CG: Was ist das Besondere an Eiskellern in Schleswig-Holstein?
VV: Die Eishäuser in Schleswig-Holstein sind wirklich sehr besonders. Oft scheint ihre unterirdische Bauweise Geheimnisse zu bergen. Manchmal sind sie weit von Gütern entfernt, im Wald oder in der Mitte eines Feldes. Manchmal geben sie Hinweise auf ehemalige Gewässer oder ehemalige Hügelgräber. Stets umrunden schattenspende Bäume den Standort. Die Erdgrube, der oft sieben Meter tiefe Eistrichter, liegt oft auf einem idyllischen Hügel. Manchmal hat man den Eindruck, als ob hier im Sommer soziales Leben stattgefunden hat und man die Nähe zu den gekühlten Getränken, den schattigen Bäumen, dem Badesee und die Aussicht genossen hat. Alles wichtige Kriterien für die Identifizierung von verschütteten Eiskellern, wie dem im Rabenholzer Wald.Wenn es wahr ist, dass die historischen Denkmäler die "Energiereserven des kulturellen Gedächtnisses" (Aby Warburg) sind, ist es umso dringender, dass Kulturdenkmäler in ländlichen Gebieten nicht spurlos verschwinden und in Vergessenheit geraten. Ortsbezogene Kunstprojekte und “Künstlerische Forschungen“ - nicht in kommerzialisierten Innenstädten, sondern im ländlichen Raum, schaffen ungewöhnliche Orte der Reflexion und Kontemplation. - In Schleswig-Holstein gibt es rund 200 Eiskeller, von denen wir aus wissenschaftlichen Quellen und Archiven Kenntnis haben. Die meisten von ihnen sind in einem vernachlässigten und verfallenen Zustand. Wenige dagegen werden von ihren Besitzern in privater Initiative erhalten. Wir - die “Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte“ - vermuten, dass es noch sehr viel mehr Eiskeller gibt, die bisher unentdeckt sind und darauf warten, als solche identifiziert zu werden. - Im Rabenholzer Wald “erforscht“ nun eine neue Künstlergruppe einen verschütteten Eiskeller, von dem wir nur über “Zeitzeugenberichte“ und eine “Geomagnetische Prospektion“ Kenntnis haben. Die Künstlerinnen und Künstler arbeiten wie Archäologen. Daher ist es eine besondere Bereicherung im Austausch mit dem Team von Prof. Ulrich Müller, Ur- und Frühgeschichte, CAU-Kiel zu sein können, die das Projekt im wissenschaftlichen Dialog begleiten.
CG: Wie sind Sie auf das Projekt in Rabenholzer Wald aufmerksam geworden?
Sie berichten, dass Sie bei der ersten Ortsbegehung allein durch eine Müllabladestelle auf den Eiskeller aufmerksam wurden. Die vorgefundene Landschaft, der trockengelegte See, die schattenspendenden Bäume, der noch erahnbare Eisweg passte zu ihrem “Kriterienkatalog“. - Eiskeller wurden nach der Nutzung aus Sicherheitsgründen oft mit verfügbarem Material verfüllt. Einige Eiskeller wurden auf diese Weise zu “offiziellen“ Müllgruben. Die “Geomagnetische Introspektion“ und ein "Zeitzeugenbericht" erhärtete den Verdacht, es sich nicht nur um eine oberflächliche Hüllhalde befindet. Wie ging es weiter?VV: Das Projekt in Struxdorf ist in enger Zusammenarbeit mit Anka Landtau entstanden. Anka Landtau arbeitet künstlerisch mit und in der eiszeitlich geprägten Landschaft, insbesondere mit den Gewässern in Angeln. Sie steht in engem Kontakt mit der “Nachbarschaft“ im Umkreis von Struxdorf. Der verschollene Eiskeller war offenbar seither in der Erinnerung der Bevölkerung präsent. So hatten wir seit Beginn unserer Recherche einen Vorverdacht. Bestätigt wurde die Indizienkette durch den “Zeitzeugen“ Julius Clausen, der auf dem Hof der ehemaligen Meierei in Hollmühle aufgewachsen ist. Einst fragte er seinen Vater, wie das Eis konserviert wurde, bevor es Elektrizität gab. Da führte ihn der Vater zu dem Eiskeller, an dem die Künstlergruppe und die Archäologen der Christian Albrechts-Universität nun weiterforschen. - Die Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V. ist an weiteren “Zeitzeugen-Berichten“ und Fotomaterial interessiert und bittet um Kontaktaufnahme unter kontakt@verena-voigt-pr.de.
Die künstlerischen Spurensicherungen sind vom 2. Juli - 3. September 2017 im Kunstort “ANKAundANDERS in Struxdorf, Bellig 4, Schleswig-Holstein zu sehen. Die Ausstellung “7 Walks in the Woods“ wurde von Verena Voigt kuratiert. Projektträgerin ist die Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V. (Kunstverein, Kiel, ADKV). - Zu den Fördergebern gehören das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein, die Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg und Weltkunst Angeln e.V. - Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Katja Grüneberg-Wehner M.A., Institut für Ur- und Frühgeschichte, Dr. Jutta Kneisel, Johanna-Mestorf Academy (Graduierten Schule “Human Development in Landscapes“) und Prof. Dr. Ulrich Müller, Christian Albrecht Universität Kiel. - Kooperationspartner im Bereich Kulturelle Bildung sind die Schleswig-Holsteinische Kulturerben/ Heirs of Heritage e.V. i.G / Barbara von Campe.
Weitere Informationen: Verena Voigt M.A., Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V.
Kunsthistorikerin, Leiterin der GFZK e.V.
Führungen, Exkursionen, Sonderveranstaltungen jeden Samstag. Details und Informationen zu den Veranstaltungen: Eiskellerforschungen.tumblr.com | Facebook.com/eiskellerforschungen
Eiskeller Anja Jensen Anka Landtau Sabine Linse Alexander Pröpster Linda Lammert Lildholdt Clement Price-thomas Jutta Kneisel Katja Grüneberg-wehner Gfzk E.v. Gesellschaft Für Zeitgenössische Konzepte E.v. Verena Voigt
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